Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Thorsten Bayer · 30. Sep 2012 ·

Älplerleben, ein „Battle-Rap“ gegen die eigene Küche und eine Death-Metal-Analyse: vielfältige Themen und hochklassige Künstler bei „Ravensburg slammt“

In der sehenswerten Kulisse der Zehntscheuer, einem Fachwerkgebäude aus dem Jahr 1378 am Rande der Ravensburger Innenstadt, trafen sich am Samstagabend Freunde des Poetry Slam. Die Brüder Wolfgang und Holger Heyer hatten zum siebten Mal zu „Ravensburg slammt“ geladen und konnten dabei zehn Wortakrobaten präsentieren. Zum umjubelten Gewinner kürte das Publikum Renato Kaiser aus Fribourg.

Der 26 Jahre alte Schweizer warf seine ganze Bühnenpräsenz und Routine in die Waagschale. In seiner Heimat war er bereits mit einem Soloprogramm auf Tour, ein zweites ist in Arbeit. Die St. Gallische Kulturstiftung verlieh ihm, der in Goldach am Bodensee aufwuchs, ihren Förderpreis, „weil er Zuhörenden verlässlich den Atem stocken oder wegbleiben lässt, weil er scheinbar leichtfüßig und auswendig verbal verpackt, was selbst Apoll herausgefordert hätte”. Besonders sein Auftritt im Finale, in dem er mit seinem (angeblichen) Image als Aufreißer spielte und sich kunstvoll an einer Anmach-Anleitung versuchte, begeisterte das Publikum, das großzügig die Höchstnote „Zehn“ verteilte. Wie im Poetry Slam üblich bildeten die Zuschauer die Jury. In der Zehntscheuer waren es acht Juroren. Die beste und schlechteste Wertung wurden gestrichen, so blieben in sechs Noten übrig. Kaiser erreichte übrigens in der Vorrunde 56 von 60 möglichen Punkten. Im Finale waren nicht mehr die Wertungstafeln, sondern die Lautstärke des Applauses maßgeblich.

MC Tom Schildhauer

Die Entdeckungen des Abends waren aus meiner Sicht zwei Künstler aus Sachsen-Anhalt. Tom Schildhauer, immerhin auch dreimaliger Landesmeister im Poetry Slam, hat sich eine sympathische jugendliche Unbekümmertheit auf der Bühne bewahrt, die seine ungemein wortwitzigen Texte unterstützt. Zunächst widmete er sich der tagtäglichen Hektik, bevor er im Finale den, wie ich fand, besten Text des Abends präsentierte – einen „Battle-Rap“ gegen einen höchst ungewöhnlichen Gegner: seine eigene Küche. Keine Frage, woher er die Inspiration zu einem solchen ungewöhnlichen Auftritt nimmt. „Ich hab' eine dunkle Hip-Hop-Vergangenheit“, vertraute der 23-Jährige einmal der Magdeburger Volksstimme an. Er ist übrigens auch mit einem Soloprogramm namens „live.exe“ auf Tournee.

Mit dabei in Ravensburg war auch seine Freundin, Katja Hofmann, die es unter zehn Teilnehmern auch bis ins Finale schaffte. Die Reihenfolge der Künstler war wie üblich ausgelost worden. So kam es, dass Katja Hofmann als erste auf die Bühne musste – und mit ihrem Text „Ich hasse das“ einen fulminanten Einstieg in den Abend lieferte, der für die folgenden Slammer die Latte gewaltig hoch legte. Kein Wunder, dass es da die lokalen Poeten schwer hatten, beispielsweise Julia Mendrok aus Singen oder der Ravensburger Müsli.

Beachtlicher Anteil von Künstlerinnen

Häufig dominieren Männer die Teilnehmerfelder bei Poetry Slams. Umso erfreulicher der hohe Anteil von Frauen in der Zehntscheuer, die nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu überzeugen wussten: Kathi Mock aus Tübingen ging bei der Frage „Was ist Kunst?“ auf witzige Weise dem Death Metal auf den Grund, die Zürcherin Laurentia Nussbaum befasste sich mit „einem Stück Schweizer Kultur“ und ließ bei ihrem Auftritt die Zuschauer die Einsamkeit des Älplerlebens nachspüren.

Ambitioniert

Holger und Wolfgang Heyer haben mit „Ravensburg slammt“ eine ambitionierte Veranstaltungsserie gestartet. Die Brüder, die selbst erst vor anderthalb Jahren das erste Mal als Poetry Slammer auf der Bühne standen, haben am Samstag das Ein-Jahres-Jubiläum gefeiert. „Das macht einfach so viel Spaß: sowohl den Slammern als auch den Zuschauern. Da wollten wir die Kleinkunstszene in unserer Heimatstadt eben um eine abwechslungsreiche Attraktion erweitern“, sagt der jüngere Bruder Wolfgang zu ihrer Motivation. Der Erfolg gibt ihnen recht: Wieder einmal war die Zehntscheuer mit schätzungsweise 150 Zuschauern knallvoll, die Stimmung ausgelassen, die Musik von DJ Michi (SoulBrigada-Kollektiv) groovy.

Den Dichtern aus der Region ist zu wünschen, dass sie sich von der Klasse der Profi-Konkurrenz aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, wie sie auch in der Zehntscheuer deutlich zu spüren war, nicht abschrecken, sondern motivieren lassen, weiter an ihren Texten zu feilen – und bei der nächsten Veranstaltung (wieder) den Gang auf die Bühne wagen.

 

Die nächste Ausgabe von „Ravensburg slammt“ findet am Samstag, 24. November statt. Am Dornbirner Spielboden treffen sich bereits am Donnerstag, 18. Oktober Nachwuchspoeten zum kleinen Poetry Slam (Jam on Poetry).

www.rvslam.de
www.spielboden.at

Katja Hofmanns „Ich hasse das“: www.youtube.com/watch?v=f4WDNIdUstg