Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Fritz Jurmann · 16. Apr 2015 · Aktuell

Zwischen Volkszorn und Volksfest - Protestkonzert mit eintausend Blasmusikern bot Schützenhilfe für die Militärmusik

Das war nun wirklich so etwas wie der berühmte Paukenschlag, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Da hat die Blasmusikbewegung in Vorarlberg mit ihren 118 Vereinen am Mittwochabend bei sommerlichen Temperaturen vor dem Landhaus in Bregenz wieder einmal eindrücklich ihr Machtpotenzial, ihren Zusammenhalt und ihre Mobilität demonstriert. Es ging darum, mit einem friedlich verlaufenen „Protestkonzert“ der im Zuge angeblich notwendiger Einsparungsmaßnahmen beim Bundesheer in arge existenzielle Bedrängnis geratenen Militärmusik Vorarlberg Schützenhilfe zu leisten.

Nach Schätzungen der beiden Veranstalter, des „Vorarlberger Blasmusikverbandes“ und der „Militärmusikfreunde Vorarlberg“, nahmen rund eintausend Musikanten an diesem Monsterkonzert teil, also rund jeder fünfte der insgesamt über 5.000 aktiven Blasmusiker des Landes. Sie waren aus vielen Berufs- und allen Altersschichten - vom Schüler bis zum Pensionisten mit einem stark weiblichen Anteil - aus allen Teilen des Landes angereist. Samt Fahnenabordnungen und Transparenten wie „Stopp der Zerstörung unserer Musikkultur!“ oder „Ja zu 9 Militärmusiken ist KLUG“ boten sie in ihren Trachten, Uniformen oder einfach in Zivil ein buntes Bild, das in seiner Fröhlichkeit nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen konnte.

Von 47 auf bloß noch 20 Musiker verknappt

Die Fakten dürften inzwischen allgemein bekannt sein. Verteidigungsminister Gerald Klug will gegen alle Widerstände bereits ab Juli dieses Jahres alle österreichischen Militärkapellen, außer der Wiener Gardemusik, drastisch von derzeit 47 auf 20 Musiker reduzieren, was praktisch den Anfang vom Ende bedeuten dürfte. Auch die längere Dienstzeitverpflichtung (bisher 14 Monate) fällt weg, junge Musiker bleiben gerade noch vier Monate bei der Kapelle. Das führt zu einer so starken Fluktuation, dass ein geordneter innerer Aufbau und eine qualitätsvolle musikalische Arbeit nicht mehr möglich sind. Ganz zu schweigen davon, dass man mit dieser reduzierten Besetzung nicht einmal mehr ordentlich einen Marsch als Grundrepertoire einer Militärmusik zu spielen imstande ist.

Die vorgesehene Vorprobe wurde der Probe für eine Live-Einspielung in die TV-Sendung „Vorarlberg heute“ des ORF geopfert. Wolfram Baldauf, Obmann beider Verbände und seit Jahrzehnten ein verbissener Kämpfer in dieser Sache, sprach wirkungsvoll die unheilschwangeren Worte „Ein Gruß nach Wien“ in die Kamera, bevor aus tausend Kehlen einhellig ein „Grüß Gott in Vorarlberg!“ erscholl. Doch dann war, bei verspätetem Beginn, gleich Schluss mit lustig. Dafür sorgte schon die ebenso einfache wie wirkungsvolle Dramaturgie zwischen „Brandreden“ und Märschen, die die Blasmusiker und die angereisten Zaungäste in ein Wechselbad der Gefühle aus gerechtem Volkszorn und Volksfeststimmung stürzte.

Ein bisschen Fußach-Feeling

Es stellte sich dabei letztlich aber auch so etwas wie ein gemeinschaftliches Gefühl der Zusammengehörigkeit ein, mit dem man es „denen da oben“ im Verteidigungsministerium zeigen und ihnen damit ordentlich „den Marsch blasen“ wollte. Das war nun emotional nicht mehr weit entfernt von einer Art „Fußach-Feeling“ – auch damals wollte Wien etwas aufdiktieren, was gegen den Willen der Bevölkerung war. Doch der Vergleich hinkt natürlich, weil die Vorgaben aus Wien diesmal nicht nur unser Land, sondern ganz Österreich betreffen. Und weil diesmal auch keine Tomaten flogen.

Gleich der Dornbirner Unternehmensberater Dr. Wolfgang Herburger, nach eigener Aussage ein jahrzehntelanger Sympathisant der Blasmusik, erwies sich als rhetorisch überlegender, angriffiger Einpeitscher. Man wolle mit dieser Veranstaltung Vorarlberger Politikern Mut machen, in Wien zum Rechten zu sehen, meinte er kaltblütig in Richtung der fast komplett angetretenen Landesregierung mit Landeshauptmann Wallner, Statthalter Rüdisser und den Landesräten Mennel, Schwärzler und Bernhard sowie Landtagspräsident Sonderegger. Als Herburger, beabsichtigt oder nicht, den Minister zum Ministranten macht, brüllt die Menge los. Sparen sollte man nicht bei den Kleinen, sondern bei großen Dingen: „Wie hoch sind eigentlich die Kosten für einen Minister?“

Oberst Günter Wieser, Gründungsobmann des damaligen „Fördervereins der Militärmusik“, sprach von absolut fadenscheinigen und undemokratischen Begründungen aus Wien für diese Maßnahme, die man so einfach nicht akzeptieren könne. Sein Vorschlag wäre, dafür lieber 500 Verwaltungsposten im Verteidigungsministerium einzusparen.

Musikantengruß wird zum Musikantenprotest

Kämpferisch wie selten hat man Wolfram Baldauf bei diesem Anlass erlebt. Die Militärmusiken seien die besten und billigsten Werbeträger für das Bundesheer und zudem wichtige Ausbildungsstätten für qualifizierte Musiker. „Wir wollen unsere Militärmusik behalten!“ rief er unter dem zustimmenden Geheul des Auditoriums ein ums andere Mal in die Menge. „Nicht mit uns!“ sei an eine Abschaffung dieser Einrichtung zu denken, und eine 20 Mann starke Militärmusik sei „eine Lachnummer“. Seine Rede gipfelt in der wortspielerischen Aufforderung: „Herr Minister Klug, machen Sie Platz für Klügere!“ Das wird noch unterstrichen durch die Aufforderung an die Teilnehmer zum „Musikantengruß“, ein Hochheben des Instrumentes, das hier zum tausendfachen Musikantenprotest wird.

All diese Einwände wurden in einer Petition zusammengefasst und von Baldauf an Landeshauptmann Markus Wallner überreicht. Dessen Vorgänger Herbert Sausgruber hatte noch 2005 gemeinsam mit weiteren „schwarzen“ Landeshauptleuten die ersten Auflösungstendenzen verhindern können, bei denen es damals um geplante Zusammenlegungen auf drei Schwerpunkt-Militärkapellen in Österreich gegangen wäre. Jetzt ist Wallner am Zug, und er gab sich als Landesvater als einer von ihnen, staatstragend „tief beeindruckt und bewegt“ von diesem Votum der Solidarität und Verbundenheit der Bevölkerung mit ihrer Militärmusik, wie er das noch nie erlebt habe. Er versprach, die Sache in verschiedenen Gremien in Wien zur Sprache zu bringen, warnte allerdings davor, bei den Sparmaßnahmen für die Landesverteidigung die Bereiche Sicherheit und Kultur gegeneinander auszuspielen.

Wolfram Öller im ungewohnten Outfit

Die Märsche, ganz ohne Probe von tausend Musikern sehr kultiviert und konzentriert gespielt, wurden von verschiedenen Dirigenten geleitet. Dabei fiel der Vorarlberger Militärkapellmeister Wolfram Öller auf, der mit dem von seinem Vorgänger Erich Hendl komponierten Vorarlberger Traditionsmarsch „Unter dem Montfortbanner“ antrat – in Alt-Bregenzer Tracht. Ein Antreten in seiner Bundesheer-Uniform hätte zweifellos ein Disziplinarverfahren für ihn nach sich gezogen, weil es ja um seinen Vorgesetzten ging.

Der glücklichste Mensch am Ende auf dem Platz ist Wolfram Baldauf. Nicht nur, weil ihn eben der Landeshauptmann coram publico für seinen unermüdlichen Einsatz hoch gelobt hat, sondern weil er anschließend im Gespräch felsenfest von der Wirksamkeit dieses Protestkonzertes überzeugt ist. „Die wissen in Wien gar nicht, was sie eigentlich damit für sich selber kaputtmachen!“ Wie lange wird es seiner Meinung nach die Militärmusik noch geben? „Ich hoffe, noch sehr, sehr lange.“

Nach dem letzten Marsch kippt die Stimmung dann endgültig ins Volksfest. Der Landeshauptmann hat nämlich alle tausend Musikanten und die Zaungäste zu Leberkäse und, bezeichnend, „Wienerle“ eingeladen …