Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Karlheinz Pichler · 01. Okt 2012 · Ausstellung

„Terra V“ – Ursula Dorigo in der Feldkircher Villa Claudia

Im Rahmen einer Personalen zeigt die Künstlerin Ursula Dorigo in der Feldkircher Villa Claudia neue Zeichnungen, Gemälde, Objekte und eine „Wunderkammer“ - Arbeiten, die im Rahmen einer zweijährigen künstlerischen Erschließung des Landes Vorarlberg entstanden sind.

Ursprünglich wollte Ursula Dorigo ihre Ausstellung mit „Da.Da.Heim.at“ übertiteln. Da aber der Heimat-Begriff in letzter Zeit gerade auch im Kunstbereich stark strapaziert wurde, ist sie davon abgerückt. Obwohl dieser Titel sicher auch etwas auf sich gehabt hätte. Denn er birgt viele Lesarten. Daheim, daheim in A.T., Heimat, DADA usw. Gerade das DADA verweist teils auf die Absurdität, in einem „fremden Land“ heimisch zu werden. Dazu muss man wissen, dass Ursula Dorigo aus Salzburg stammt, also eine „Zugeraste“ ist. Wobei natürlich wiederum Salzburg wie auch Vorarlberg zu Österrreich gehören, wo wiederum Vorarlberg eine Art Fremdkörper darstellt usw.

Wie auch immer, Ursula Dorigo ist dann auf die Überschrift „Terra V“ gekommen. Wobei auch das Terra etwas Unbekanntes inkludiert, da es ein sehr offener Begriff ist, und ebenso das V für vieles stehen kann: für das V in Vorarlberg, für das V als eine Art offenes Dreieck, das wiederum formal-symbolisch für die Abbildung der Berge steht, oder für das Rheindelta. In jedem Fall als Abstraktion für Worte, Begriffe und Landschaftsformen.

Das Naheliegende ins Zentrum rücken

Mittlerweile lebt die Künstlerin seit  vierzig Jahren in "V" und hat hier sozusagen «Fuß gefasst», auch wenn sie immer wieder auf Reisen ist. Diesen Reisen entsprechend, hat sie sich in früheren Arbeiten schwerpunktmäßig mit Landschaften fremder Länder auseinandergesetzt, vor allem mit dem mediterranen Raum. Mit Terra V rückt sie nun für einmal das Naheliegende, den sie vorwiegend umgebenden geografischen Raum ins Zentrum ihrer Arbeit. Wie die Künstlerin selber sagt, ist das Bekannte „schwieriger zu erkennen als das Unbekannte, das Naheliegende scheint uninteressant im Vergleich zum noch nie Gesehenen. Eine Herausforderung jedenfalls.“ So raffte sie sich auf, packte Fotopapier und Stifte in den  Rücksack und erzeichnete sich in ihren Wanderungen Landstrich um Landstrich. So entstanden innerhalb von zwei Jahren unzählige Skizzen. Skizzen, aus denen sich auch die Vorliebe der Künstlerin für bestimmte Gegenden ableiten lässt. Ihre wie in einem gezeichneten Tagebuch erfassten Wege und Wanderungen sind genau zurückzuverfolgen.

Chiffrierung der Landschaft

Handelt es sich bei diesen vor Ort angefertigten Blättern also um Aufzeichnungen, die von der naturalistischen Geste, dem anschaulich Machen des Gesehenen, geprägt sind, so probte sie dann zu Hause im Atelier den Weg in die Abstraktion. Das Gesehene, der Berg wird zu einer geometrischen Form, zum Dreieck, zu einer Chiffrierung der Landschaft. Das V, das Dreieck mutiert zu einem zeichenhaften Code für den Berg, das Gebirge, die Alpen. Während andererseits die Streifenbilder zu Metaphern für das wanderbare Rheinufer gerinnen. Farblich schieben sich bei diesen Serien die Nichtfarben Schwarz und Weiß in den Vordergrund.

Mit den neuen Arbeiten stellt sich Ursula Dorigo zweifelsohne in die Tradition konkret- konstruktiver Auffassungen. Reduktion und Geometrie, Serialität und Struktur stehen im Vordergrund. Sie beschränkt sich unmittelbar auf Fläche, Linie, Volumen, Raum und Farbe als die konkreten Bildelemente und entfaltet mit dieser vom ursprünglichen natürlichen Vorbild wie dem Berg oder dem Rhein losgelösten Malerei eine autonome Wirkung. Es ist eine Malerei, die plötzlich nur noch für sich selbst steht. Die Eigengesetzlichkeit von Proportionen, Formen und Material wird immer neu ausgelotet, wobei die Interaktion von Schwarz – Weiß in Variation und Wiederholung eine spannungsreiche Wirkung erzielt.

Mit der konstruktiven und konkreten Kunst sind Begriffe wie „Reinheit, Gesetz und Ordnung» unmittelbar verbunden. Zieht man von diesen Regulativen eine gedankliche Linie zum sauberen und konservativen Ländle, so ergibt sich auf einer Art Meta-Ebene sehr wohl wieder eine affine Korrellation zur Eigendefinition des Landes Vorarlberg, der Terra V.

Die Wunderkammer

Eine Besonderheit der aktuellen Ausstellung ist Dorigos „Wunderkammer“. Als Wunderkammern hat man ursprünglich die fürstlichen Kunst- und Natursammlungen der beginnenden Neuzeit bezeichnet, in denen sich das jeweilige Weltverständnis jener Zeiten widerspiegelte. Triebfeder für die Einrichtung von Wunderkammern waren Sammelleidenschaft, aufkeimendes wissenschaftliches Interesse und höfische Etikette. Aus ihnen gingen im 18. Jahrhundert dann die Museen im modernen Sinne hervor.

Dorigos Wunderkammer in der Villa Claudia ist in diesem Sinne eine Art postmoderne Wunderkammer. Ein Raum, der den Vorarlberg Spezifika gewidmet ist. Spezifika, wie sie ein Blick von außen sieht und die dazu beitragen sollen, dass wir wieder lernen über unser kleine und begrenzte Welt hier zu staunen und uns von ihr irritieren zu lassen.

Dorigo ist offenbar eine Sammlerin. Sie sammelt Gegenstände, Dinge, die für Land und Leute und Haus und Hof im Lande charakteristisch sind. Aber auch Eigentümlichkeiten, die den Einheimischen gar nicht mehr auffallen. Und sie sammelt Worte, Begriffe, Redewendungen. Ja sogar Gesten, wie etwa den Handkantenschlag zum Aufbetten der Polster zu einer zipfeligen Form. Zipfel, die erneut auf dieses ominöses V oder Dreieck verweisen, oder eben an die Gipfel der Alpen. Und es gibt einen eigenen Bereich für typische Vorarlberger Schimpfwörter. Und bei den Jasskarten fällt nur Außenstehenden auf, dass keine Dame im Spiel ist. Dafür werden an anderer Stelle aber immer noch Hexen verbrannt. Viele Dinge der Wunderkammer hängen mit der Liebe der Vorarlberger zu den eigenen vier Wänden, dem eigenen Häuschen, dem eigenen Garten zusammen. Das Haus, eine Ikone, eine Bedingung für Lebensqualität zum einen, ein Statement für die Zerstörung von Landschaften andererseits. Dennoch ist für Dorigo klar, dass der Vorarlberger „g´hörig“ ist, nicht aber ohne das ominöse „odr“ anzuhängen.

Ursula Dorigo: "Terra V"
Neue Bilder und Objekte
Villa Claudia, Feldkirch
Bis 28. Oktober
Fr 16-18, Sa 15-18
So 10-12 u. 15-18
www.kunstvorarlberg.at