Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Karlheinz Pichler · 05. Apr 2015 · Ausstellung

Das Geheimnis eines Kunstwerkes erschließt sich außerhalb des Rationalen

Im Rahmen der Ausstellung „Unverfügbar“ werden in der Villa Claudia derzeit ältere Kunstwerke aus dem sakralen Bereich dreizehn zeitgenössischen Positionen aus Vorarlberg zur Seite gestellt. Laut Georg Vith, der die Ausstellung zusammen mit Kathrin Dünser und Udo Rabensteiner kuratiert, soll dabei aber nicht das Religiöse im Vordergrund stehen, sondern die Gedanken und Ideen sowie die Transzendenz, die von solchen in kreativer Arbeit entstandenen Zeugnissen ausgeht.

Die Ausgangsidee zu dieser Schau stammt von Udo Rabensteiner, der vor Jahresfrist den Begriff der „Kontemplation“ in den Raum warf, auf dessen Boden sich so etwas entwickeln könnte. Den Terminus „Unverfügbar“ brachte letztlich Christian Kopf, Leiter des Bildungshauses Batschuns, aufs Tapet. „Unverfügbar“ soll jenen Bereich kennzeichnen, der losgelöst ist von jenem Alltag, in dem alles verfügbar, berechenbar und funktionalisiert ist und jenen Vorstellungsraum ins Zentrum rückt, der die übliche Matrix der logischen Denken- und Vorstellungsformen sprengt und hinter sich lässt. Eine Konzentration auf jenes auratische Geheimnis, das von einem sakralen Gegenstand genauso wie von einem Kunstwerk ausgehen kann, das aber in seiner Dimension nie allgemein „verfügbar“ wird, sondern sich jedem einzelnen in der kontemplativen Betrachtung anders erschließt. Wolfgang Kemp zitierend, verweist Co-Kurator Georg Vith in seinem Text im kleinen aber feinen Katalogbuch, das anlässlich der Ausstellung erschienen ist, auf sogenannte „Leerstellen“ in Bildern als „gedachte Scharniere“ hin, die es vom Betrachter zu füllen gelte.

Konstellationen

Die dreizehn an „Unverfügbar“ beteiligten Kunstschaffenden haben nicht eigens neue Werke für die Ausstellung  geschaffen, sondern bereits bestehende Arbeiten in den Ausstellungsräumen der Villa Claudia platziert. Die historisch-sakralen Entsprechungen haben sie selber aus dem Fundus des als Leihgeber fungierenden vorarlberg museum ausgewählt. Beratend unterstützt von den Restauratoren des Bregenzer Museums kamen dabei Bilder und Objekte zum Vorschein, die schon lange nicht mehr oder noch nie öffentlich zu sehen waren. In der direkten Gegenüberstellung von zeitgenössichem Kunstwerk und sakralem Gegenstand kommt es zu interessanten Konstellationen.

Ein großformatiges Gemälde (213 x 213 cm) auf zusammengesetzten Papierblättern „ohne Darstellung“ von Christoph Luger kontrastiert etwa mit einem Kreuzigungsbild „ohne Kreuz“ von Mila Bjelik-Stöhr. Luger hat sein abstraktes Bild, das zu den schönsten Werken der Ausstellung zählt, so an die Wand geklebt, dass ein geradezu freskoartiger Eindruck entsteht. Außerdem verleihen die Verletzungen des Papiers und die Verwendung von Leimfarbe dem Bild einen textilen Charakter. Etliche der Vernissagenbesucher wollten in dieser Abstraktion trotz ihrer papierenen Materialität denn auch ein Leichentuch erkennen.

Licht als Bindeglied

Licht prägt als verbindendes Mittel die Konstellation zwischen dem Bregenzer Künstler Hermann Präg und Walter Bjelik. Während in Bjeliks Entwurfszeichnung für ein Glasfenster ein Licht auszumachen ist, dass nach außen strahlt, entwickelt das Licht, das von der Leuchtstele Prägs ausgeht, eine derartige Sogwirkung, dass die Außendimension ins Innere gestülpt scheint.

Auch bei Georg Vith funktioniert das Licht als Geburtshelferin für ein Kunstwerk, operiert er doch bevorzugterweise mit der Camera-Obscura. In der Villa Claudia ist es eine griechische Kapelle, die er mithilfe dieser Technik ins Bild setzt. Seiner Fotografie zur Seite gestellt ist eine römische Öllampe, die um das Jahr 100 nach Christus datiert wird und beim Bau des Bregenzer Palais Thurn & Taxis ausgegraben wurde.

Die Welt

Bestechend eine Installation der bereits verstorbenen Künstlerin Anne Marie Jehle: Ein Wollpullover, aus dem ein mit einem Riemen fixierter Globus hervordrängt, präsentiert auf einem „stummen Diener“. Das Arrangement erinnert symbolisch etwas an Gustave Courbets „Ursprung der Welt“. In Opposition zu dieser Leihgabe der Vaduzer Anne-Marie-Jehle-Stiftung eine „Mater Immaculata“ von Julius Wehinger aus dem Jahre 1942.

Von melancholischer Traurigkeit aufgeladen ein Ölbild der Bregenzerwälder Johanna-Kandl-Schülerin Sarah Bechter, das  ein Mädchen, das sich an einem an einem Laternenmast befestigten Seil festhält, vor einer einsamen, architektonisch angelegten Gräberstadt zeigt. Im Kontrast zu diesem Bild „Ohne Titel“ ein Votivbild aus dem Jahre 1836.

Richard Bösch hat mit „Martyrium“ (1984) und „Dornenkrone“ (1993) zwei ältere Mischtechniken mit einem Graubündner Kruzifixcorpus aus dem 18. Jahrhundert zu einer Art Herrgottswinkel verbunden. In einem Begleittext dazu erinnert er sich an seine frühe Kindheit am Ende des Zweiten Weltkrieges: „Am 21. Juni 1945, meinem dritten Geburtstag, packte meine Familie unser Hab und Gut aus dem Hohenemser Zollamt, wo ich in den Monaten zuvor Schreckliches sah, um nach Hörbranz zu übersiedeln in das dortige Zollamt, das jahrelang ein RAD-Gebäude war (Anm.: RAD = Reichsarbeitsdienst) …“

Dreierkombinationen

Auch mehrere „Dreierkombinationen“ gibt es in den Ausstellungsräumen von Kunst.Vorarlberg zu sehen. So hat die Künstlerin Kirsten Helfrich in direktem Bezug auf ein historisches „Haarbild“ (nach 1873) ein zart-durchlässiges „Trauerkleid“ aus Wildseide mit Erinnerungssätzen an ihre verstorbene Mutter bestickt. Das Besondere daran: Als Stickmaterial verwendete sie ihr eigenes Haar. In Ergänzung ist daneben eine Fotografie von einem weiteren „Trauerkleid“ zu sehen. Das Foto zeigt eine abgestorbene Ulme an der Bregenzer Ache, welcher der Künstler Edgar Höscheler ein „Totenkleid“ aus Lärchenschindeln gezimmert hat. Eine weitere „Trias“ führt eine Nonnengeige (Marientrompete) aus dem 19. Jahrhundert mit Arbeiten von Albrecht Zauner und Astrid Bechtold zusammen. Zauner zeigt einen über abgewinkelte Beine nach hinten geneigten Frauenakt mit geöffneten Beinen aus Bronze. Bechtold wartet mit einem Acryl-Gemälde auf, das nach einem Musikstück von Ketil Bjørnstad entstanden ist, und formal von diffusen, in lichten Farben gesetzten Farbverläufen zeugt. Die inhaltliche Tragweite auch dieses Kunstwerks bleibt aufgrund der abstrakten Formalsprache ebenfalls „unverfügbar“.

In einer weiteren Dreier-Konstellation formieren sich eine sehr reduzierte Zeichnung vom ebenfalls bereits verstorbenen Peppi Hanser sowie ein Corpus aus Gips des Lustenauer Bildhauers Udo Rabensteiner, bei dem sich eine Figur aus der sie umschließenden Hülle zu befreien scheint, um eine alpenländische Holzmadonna mit Kind.

Letztlich ermöglicht die Ausstellung „Unverfügbar“ auch ein Wiedersehen mit Egon Goldner, von dem eine typisch filigrane Tuschzeichnung (Einbruch/Graben) aus den 1970er Jahren neben einem Linolschnitt von Martin Häusle aus dem Jahre 1933 zu bewundern ist.

Unverfügbar. Eine Begegnung von Kunst und Religion
Mit Sarah Bechter, Astrid Bechtold, Richard Bösch, Egon Goldner, Peppi Hanser, Kirsten Helfrich, Edgar Höscheler, Anne-Marie Jehle, Christoph Luger, Hermann Präg, Udo Rabensteiner, Georg Vith und Albrecht Zauner
Villa Claudia, Feldkirch
bis 19.4.2015
Fr 16-18, Sa 15-18, So 10-12 u. 15-18
www.kunstvorarlberg.at