Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Karlheinz Pichler · 09. Okt 2014 · Ausstellung

Einmal brasilianischer Urwald und zurück - Zeichnungen von Lorenz Helfer im Göfner milK-ressort

Im kleinen aber feinen Kunstraum "milK-ressort" in Göfis sind derzeit neue Zeichnungen von Lorenz Helfer zu sehen, die vom Wald handeln. Daher auch der Ausstellungstitel „A Floresta“. Inspiriert zu diesem Zyklus wurde er vom brasilianischen Dschungel, in dessen Randgebiet er unterwegs war.

Auf einem Tisch im Göfner milK-ressort liegen mehrere Skizzenbücher von Lorenz Helfer ausgebreitet. Die Besucher des Kunstraums dürfen sie in die Hand nehmen und darin blättern. Die zeichnerischen Notationen sind während eines Brasilientrips des 1984 in Hohenmes geborenen Künstlers entstanden. Direkt vor Ort. Die mit Gelroller und Buntstiften ausgearbeiteten Zeichnungen hingegen, die gerahmt an den Wänden des kleinen aber feinen Kunstraumes in Göfis hängen, hat Helfer frei aus der Erinnerung in seinem Wiener Atelier angefertigt. Sie sind zum Teil fiktional. Er hat sie frei erfunden. Es sind Impressionen, die er abruft und frei auf das Blatt überträgt. Auch die in den Skizzenblöcken dargestellten Waldlandschaften entsprechen teils nicht der Realität. Zwar hat Helfer, Sohn von Monika Helfer und Michael Köhlmeier, reale Landschaftsaspekte wie ein Pleinair-Maler zum Ausgangspunkt genommen, diese dann aber durch freie Kompositionen ergänzt, bis sich eine stimmige Zeichnung ergab.

Rätselhaft


Die Zeichnungen Helfers erinnern mitunter auch an Bilderrätsel (Rebus). Denn je länger man sich in die Arbeiten vertieft, umso mehr werden in den zeichnerisch verdichteten Waldlandschaften Köpfe, Gesichtsfragmente, Körperteile oder Objekte sichtbar. Alles scheint in einer ständigen Metamorphose begriffen zu sein. Dinghaftes und Lebendiges gehen ineinander über, die Grenzen verwischen. “Statisches soll sich bewegen, Organisches wiederum innehalten und sich zum Objekt verwandeln”, sagt der Künstler. Wobei er darauf verweist, dass die Verwandlung in seinen Arbeiten nie vollständig abgeschlossen sei und sie in den Prozess des Malens oder Zeichnens stets eingebunden sei.

In manchen dieser Zeichnungen, die vom Format her zwischen 30 mal 40 und 40 mal 50 Zentimetern changieren, werden die Waldimpressionen von zarten, dichten Liniengeflechten getragen, in denen der Betrachter konkrete figurative Einbettungen erkennen kann. Dann wieder sind die Arbeiten wuchtiger und von relativ voluminösen Farbflächen geprägt.

Kein Interesse am reinen Realismus


Reine realistische Darstellungen interessieren Lorenz Helfer nicht. Ihn reizt die Transformation des Realistischen in die Abstraktion und hin zu Mustern. Je öfter er etwas zeichne, um so mehr kristallisierten sich bestimmte Muster hinter dem Gezeichneten heraus, sagt er. Denn die ganze Welt bestehe aus Mustern und einem Bezugssystem von Zahlen. Das erkannte übrigens bereits Augustinus: „Betrachte Himmel, Erde, Meer und alles, was da glänzt und kreicht und fliegt und schwimmt: alles hat Formen, weil es Zahlen hat; nimm sie fort und alles wird zunichte... und frage, was im Tanz ergötzt, antworten wird die Zahl: Siehe, ich bin’s. Betrachte die Schönheit des geformten Körpers: Zahlen sind im Räumlichen festgehalten. Betrachte die Schönheit der Bewegung im Körper: Zahlen gewinnen Leben im Zeitlichen.“

Die Verwandlung als roter Faden


Die reziproken Verwandlungsmuster von der realen Welt in die Dingwelt und vom abstrakten Objekt wieder zurück in die lebendige Welt ziehen sich durch fast das gesamte Werk Helfers hindurch. Auch durch das Malerische. Ja, man könnte konstatieren, dass sich diese Vorgangsmethodik bei Helfer zu einer Art unverkennbarer Handschrift entwickelt hat. In einem Text, den der Künstler zu einer früheren Serie selber einmal verfasst und mit „Malen ist Metamorphose“ übertitelt hat, heißt es über dieses Prinzip der Verwandlung: „Meine Arbeiten zeigen Gegenstände und organische Formen. Sie befinden sich in Landschaften oder vor einem einfärbigen Grund. Ich löse die Grenzen zwischen Dinghaftem und Lebendigem auf... Diese Metamorphose gelingt mir durch eine sehr stoffliche, detailreiche Malweise – so hauche ich den Dingen Leben ein. Andererseits male ich sehr flächig und grob, wodurch ich Lebendiges zu Gegenständen degradiere. Die Hintergründe dienen dazu, den Motiven das Gleichgewicht zu nehmen. Wird die Szene von einer Landschaft umrahmt, erzwinge ich einen Überhang an Organischem, die starren Gegenstände grenzen sich durch den erhöhten Kontrast mehr ab und drängen sich stärker ins Blickfeld. Gestalte ich den Hintergrund einfärbig, treten die organischen Oberflächen stärker in den Vordergrund.“

Siehst du die Brücke vor uns?


Übrigens zeigt Lorenz Helfer ab 17. Oktober in einem alten, denkmalgeschützten Bauernhaus in Dornbirn (Klostergasse 1), welches der Keramikerin Barbara Rein lange Zeit als Atelier diente, auch neue Malereien. Der Titel dieser Ausstellung, "Siehst du die Brücke vor uns?", ist einer poesievollen Geschichte entnommen, die Helfer selber verfasst hat und die von einem Spaziergang entlang der Donau in Wien handelt. Auch in diesen in Dornbirn präsentierten phantasievollen Gemälden lotet Helfer Figuration mit Abstraktion und organische Welt mit Dingwelt aus.

Lorenz Helfer: „A Floresta“
milK-ressort, Göfis
Bis 9.11.2014
So 14–17 Uhr u.n.tel. Voranmeldung
www.milk-ressort.at

Siehst du die Brücke vor uns?
Lorenz Helfer: Malerein
Klostergasse 1, Dornbirn
17.10.-7.11.2014

Vernissage: 17.10., 19 Uhr