Himalaya und Platanen - Ausstellungen von Armin Pramstaller und Nikolaus Walter
Die Dornbirner Galerie Art House zeigt in der Ausstellung „Druckgrafiken als Ausdruck“ Werke von Armin Pramstaller. Die Götzner Galerie Kurzemann stellt Fotografien von Nikolaus Walter unter dem Titel „Platanen“ aus.
Silurisches oder Tote Materie
Radierungen, die von weitem Augenweiden sind und nahe besehen erst recht: Pramstaller, wer sonst? In seiner Heimatstadt sind nach langem wieder einmal ein paar Dutzend Blätter von der (linken) Hand Armin Pramstallers ausgestellt (man kann sie sogar kaufen).
Auf fast allen sieht man steinerne Landschaften. So scheint es, in Wirklichkeit sind viele dieser vegetations- und witterungslosen Gebirgsmassive, diese angsterregenden Klötze, Brüche und Abgründe, diese Grate, Kämme, Türme und senkrechten Wände (früher, als es noch keine Platzkarten für die Mount-Everest-Besteigung gab, hätte man gesagt: diese Himalayalandschaften) gewöhnliche Steine, am Wegrand gefunden, Kiesel, unter die Lupe genommen am Arbeitstisch.
Formen, die zugleich die Geschichte ihrer Entstehung sind, in toter Materie, wie wir gedankenlos sagen (das Leben ist eine Spätform davon). Übertragen, eingeschnitten und –gegraben in die tote Materie der Kupferplatte, Strich um Strich in Beziehung gesetzt zu anderen Strichen und (man vergisst es leicht) zur Leere des Blatts. Ein paar Heiligengalerien von der Steinbruchkathedrale des Breiten Bergs, den Pramstaller (1938-2002) sein Lebtag vor Augen hatte; Knäuel im Gestein, Gewebe, silurische Adern und Wege: Dieser Radierer, rechtsseitig gelähmt (man vergisst es leicht), hat auf seine Weise einer Kosmologie vorgearbeitet, die zugleich Atomphysik und Geologie ist, Zeit- und Raumwissenschaft und noch manches mehr.
Es ist der Pramstaller der legendären Rheintal-Gesamtansicht: Die Sonne breitet ihre Schwingen über den Grabenbruch mit Inselbergen; Spuren menschlicher Kultur und Besiedlung aber fehlen - und gleich der Bergstock der Drei Schwestern dazu; unser Rheintal sub specie aeternitatis. –
Das Blatt ist zwar nicht ausgestellt bei Alber, dafür zwei Versionen der letzten Grafik des plötzlich Verstorbenen: Ein Kosmos, vom Rand her radiert in vielfältigsten Gebilden und kleinen Schraffuren, ein Ozean voll von Organischem. Sein Rand hat sich gerundet zur Urform des Eis.
Platanen?
Wohl wegen des geschlossenen Raums, des Gewölbes, der Kellerhöhle, aus der kein Blick hinausschweift auf die Durchzugsstraße und kein anderes Bild hereindrängt, hat Nikolaus Walter die Götzner Galerie als Ort für eine Ausstellung mit dem Titel Platanen gewählt.
Jahrzehnte schon ist er ein verlässlicher Zeitzeuge mit scharfem Auge auf die Skurillität des Todernsten, die weniger lustigen Seiten der Fröhlichkeit und das Gewöhnliche am Gewohnten. Mit dieser Ausstellung wird sichtbar, dass der gerade sein umfangreiches Lebenswerk Sichtende auf neuen Wegen unterwegs ist.
Im Vorraum noch der Nikolaus Walter, wie man ihn kennt: Zwar keine Menschen, aber Baumsklaven, die herhalten müssen als Träger von Garderobe, weihnachtlichen Lichtketten und Plastikblumen zum Gedenken an jemand, der sein Leben an einem gescheckten Platanenstamm zu Tode gebracht hat. Man schmunzelt, denkt sich sein Teil, wendet sich ab. Im Keller aber blieb einem der Mund offen – mir wenigstens geht es so.
Dieser notorische, penibel entwickelnde Schwarzweißfotograf hat da eine Serie von Farbausdrucken zusammengestellt, die einleuchtet, wie nur die Frucht beharrlichen Staunens einleuchten kann.
Wieso Platanen? - Ein Miniquerschnitt durch die Kunstgeschichte! Arp, Mirò, Weiler. Daumier, Tapiès. Auch Rokoko. Niellotechnik (8. Jh.). Ein blutroter Reißnagelkopf mit viel Beige rundum: Pop Art.
Aber es ist tatsächlich nichts als Platanenrinde, was Walter fotografiert hat auf seinen vielen Fahrten westlich von Vorarlberg, wo es auch noch was zu sehen gibt.
Nicht Herzle oder ähnliche Behauptungen, vorschnell ins tolerante Holz geschnitten, sondern Botschaften des Baumes mit der glatten Rinde selbst, der sich schuppenartig häutet (oder eben nicht) und so Farben erzeugt und Formen, die kein Maler erfinden könnte – so wenig wie Henry Moore die Côte de Granit Rose.
Eine Auswahl, mit Verlaub:
Der Schatten des Paares.
Paläolithische Landebahnen in einer Senke der Atacamawüste, nebst Anhöhe, höchst plastisch.
Der Drachen mit seinem gescheckten Bauch gleitet über den listigen Zwerg hinweg.
M (Marianne, Marie, Madeleine)– von vierzehn vernarbten Sternen umgeben.
Gebirgslandschaft (japanischer Farbholzschnitt, die Nebel steigen auf zwischen den Bergketten).
Der hinkende Teufel und andere Märchen; mit frischer Markierung für Wanderer.
Ein Verkehrsschild, organisch überwachsen.
Auf verbliebenen Schuppen: Reste eines Briefs (wohl von einer Haltestelle).
Und so weiter.
Nebenprodukte des Wachsens : Erstaunliche Farben. Im Elsaß anders als in Verdun (wo er eigentlich das Monument fotografieren wollte, in dem die Soldatenknochen untergebracht sind), in Lille oder Montlucon.
Zugleich eine Einführung in das Land, dessen Nationalbaum die Platane ist.
Platanes sind es ja, die den Chausseen überall in Frankreich Schatten geben, Autofahrern wie Jakobspilgern. Es hat eine Zeit gegeben, wo man sie schlägerte, massenweise, schließlich waren sie schuld am Tod von Betrunkenen, Übermüdeten und Rasern.
Armin Pramstaller
"Druckgrafiken als Ausdruck“
Galerie Art House
Dr. Waibel-Straße 6, Dornbirn
Bis 26 .4.2014
Mo – Fr 9–12 / 14–18, Sa 9-12
Nikolaus Walter
"Platanen"
Galerie Kurzemann
Im Buch 15, Götzis
Bis 17.4.2014
Di, Do, Fr 17–19