"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Karlheinz Pichler · 25. Sep 2014 · Ausstellung

Ein Panorama unendlicher Informationsdichte - Norbert Pümpel in der Bludenzer Galerie allerArt

Die Bludenzer Galerie allerArt zeigt derzeit ein monumentales Bild des aus Tirol stammenden und seit vielen Jahren in Götzis lebenden und arbeitenden Künstlers Norbert Pümpel, das auf Picassos berühmtes Anti-Kriegsgemälde "Guernica" Bezug nimmt und vor über 30 Jahren entstanden ist. Ergänzt wird die Ausstellung durch drei Beispiele seiner neuen Serie "Flüchtige Erinnerungen".

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, eine derart monumentale Arbeit wie Norbert Pümpels "Wahrscheinliche Aussage zu einem Guernica des späten 20. Jahrhunderts" öffentlich zu präsentieren. Der exquisite Ausstellungsraum der Galerie allerArt in der Remise Bludenz scheint hingegen geradezu prädestiniert dafür zu sein. Das Werk besteht aus 24 einzelnen Blättern in schwarzen Rahmen, die in der Zusammenstellung das beachtliche Maß von 3,6 mal 8 Meter (Höhe mal Breite) erreichen. Entstanden ist das Werk, an dem der Künstler über ein Jahr arbeitete, 1981/82. Der Tiroler, der anstatt eine Kunstakademie zu besuchen, Mathematik, Physik und Philosophie studiert hat, gehört zu den wenigen Kunstschaffenden, deren Werk von naturwissenschaftlichen, quantenphysikalischen und philosophisch-theologischen Problemstellungen durchdrungen scheint.

Außerhalb der Zeit


Er, der Zahlen- und Wissenschaftsgläubige, stand damals ganz unter dem Eindruck der Nuklearforschung und des Kalten Krieges, wohl wissend, was ein Weltkonflikt mit moderner Kriegstechnik auslösen könnte. In einer Zeit, als die Jungen Wilden ihr figuratives Unwesen trieben, reagierte Pümpel mit einem Anti-Bild auf die Bedrohung der Zeit. Picassos berühmtes "Guernica" vor Augen, malte, oder besser zeichnete er dieses weiter und quasi zu Ende, indem er es in ein dichtes System von Zeichen auflöste. Picassos konkrete, bildhafte Anspielungen löste er gleichsam in ein atomares Chaos auf. Formal geschah dies, indem er das Papier mit verlängerten Stiften unkontrolliert malträtierte. Jedes der 24 Blätter übersäte er mit jeweils drei Schichten von gleichsam hinaufgetrommelten, stakkatoartig gesetzten Strichen. Aus künstlerischer Sicht bewegte er sich außerhalb der Zeit, denn er verweigerte sich radikal den damals gültigen figurativen Trends. Der Pümpel-Kenner Harald Kimpel bezeichnet dieses vielteilige Chaos-Werk als "ein unendliches Panorama der Entropie".

Viele der nachfolgenden Serien des in Vorarlberg heimisch Gewordenen haben ihre Wurzeln offensichtlich in diesem großen Ursprungsbild, das thematisch aktueller denn je ist und sich auch den Weg in eine Museumssammlung verdient hätte.

Flüchtige Erinnerungen


Nimmt "Wahrscheinliche Aussage zu einem Guernica des späten 20. Jahrhunderts" die gesamte Hauptwand der Galerie allerArt in Anspruch, so wirken die drei kleinen Arbeiten aus der neuen Serie "Flüchtige Erinnerungen" (Fleeting Memorials) an der gegenüberliegenden Wand wie eine das Hauptbild ergänzende "Signatur" des Künstlers. Die zwei Seitenwände hingegen sind freigelassen und verstärken durch ihre Leere die Aussagen des Guernica-Bildes Pümpelscher Prägung.

Pümpelt arbeitet bereits seit bald drei Jahren an den "Fleeting Memorials". Die Arbeiten tragen jeweils drei Zahlenangaben auf sich: ein Datum, eine Uhrzeit und die jeweils für genau diesen Zeitpunkt offiziell errechnete Weltbevölkerung. Wobei die Angaben zur Weltbevölkerung einem via Internet verfügbaren statistischen Programm entstammen. Der Rest des Bildes besteht aus abstrakter Malerei auf doppelt geschichtetem, chinesischem Reispapier. Inhaltlich könnten es Porträts von den jeweils zuletzt erfassten Personen sein, oder Gesamtporträts der jeweiligen Weltbevölkerung, aufgelöst und verschwommen in einer farblichen Substanz, oder einfach ein Abstraktum mit theoretischem Hintergrund. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Malerei zu. Pümpel verwendet verdünnte Ölfarben. Wobei der darin enthaltene Ölleim eine zerstörerische Wirkung besitzt und den Bildträger, das chinesische Reispapier, im Laufe der Jahre zersetzt. Aus diesem Grund sind die Papierarbeiten auch gerahmt: Das zerbröselnde Papier kann sich im unteren Rahmenbereich zu kleinen Häufchen sammeln. Das gemalte Bild wandelt sich also zu einem nur noch aus winzigen Papierteilchen bestehenden Wandobjekt. So wie sich also die Weltbevölkerung in jedem Augenblick ändert, verändert sich auch das Bild in der Achse der Zeit. Jeder Zustand des Bildes ist nur vorübergehend, löst sich in „flüchtige Erinnerungen“ auf.

 

Norbert Pümpel: Wahrscheinliche Aussage zu
zu einem Guernica des späten 20. Jahrhunderts
Galerie allerArt, Bludenz
Bis 12.10. 2014
Mi, Fr, Sa, So u. Fe 15-18, Do 16-20
www.allerart-bludenz.at