Rentiere unterwandern den Kunstraum - May-Britt Nyberg Chromy in der K12 Galerie

Kommt die Natur aus dem Gleichgewicht, gerät auch der Raum ins Wanken. Das bleibt nicht ohne Folgen. Tiere suchen sich neue Lebensräume und begeben sich scharenweise auf Wanderschaft. Was geschieht aber, wenn ihnen plötzlich Transportmittel zur Verfügung stehen? Die aus Not begonnene Wanderung wird zur poetisch-bizarren Reise, die nun in der Bregenzer Galerie haltmacht.
Hauptakteur und Symbol der Installation ist das Rentier. Es unternimmt mit 5000 Kilometern jährlich die längste regelmäßige Wanderung von Landsäugern überhaupt. Die Wanderungen führen die Tiere über zugefrorene Flüsse und Seen. Aufgrund der Erderwärmung und der stärker werdenden Schnee- und Eisschmelze wird die Zeitspanne für die Überquerung der gefrorenen Flächen immer kürzer. Auch die Hauptnahrungsquelle für die Tiere, die Rentierflechte, bleibt durch den schnellen Wechsel von Tauwetter und Frost immer öfter unter einer Eisschicht eingeschlossen, sodass sich hier eine bedrohliche Nahrungsknappheit einstellt.

Das Ren als Informationsträger

May-Britt Nyberg Chromy schickt eine ganze Herde Rentiere auf Reisen. Es sind zwar nicht tausend, aber 200 bis 300 aus Papiermachee und Draht angefertigte Tiere, die alle ein Geweih tragen. Das Ren ist die einzige Hirschart, bei welcher auch das Weibchen ein Geweih trägt, sodass anzunehmen ist, dass sich beide Geschlechter in der Herde befinden. Die Künstlerin stattet die Tiere mit Flügeln aus. Nach dem Grund befragt, gibt sie zur Antwort: „Erstens haben alle meine Objekte Flügel, zweitens wäre das Ren ohne Flügel zu naturalistisch und drittens kann man sich damit fortbewegen, es ist eine Form des Reisens“. Sie ergänzt, dass die Tiere ja auch in Gefahr schweben, was ganz real ist. Mit Flügeln ist dieser Zustand leichter zu überwinden.  Die Rentiere sind gut handtellergroß. Ihre Oberfläche, quasi ihre Haut, wird aus Zeitungen gebildet, die aus aller Welt stammen – aus Korea, China, der Türkei, aus dem arabischen Raum ebenso wie aus Skandinavien, Österreich, der Schweiz oder Deutschland. So gemahnen die Tiere daran, dass die Klimaerwärmung ein globales Problem ist.
Das einzelne Tier mit Geweih, Flügel und zeichenbedeckter Oberfläche ist ein poetisches Objekt. In der Herde, in der Masse aber, wie May-Britt Nyberg Chromy die Galerie bespielt, werden sie zum bedrohlichen Schwarm. Sie werden zur Plage, eine Gefahr geht von ihnen aus, ebenso wie von der Klimaerwärmung. Fliehend vor einer Gefahr werden die Tiere selbst gefährlich.

Mit neuzeitlichen Transportmitteln unterwegs

Um einen Ausweg aus der bedrohlichen Situation zu finden, stellt die Künstlerin den Rentieren Transportmittel zur Verfügung. Die Bilder, welche die Installation begleiten, zeigen die Tiere auf einem Schiff, auf dem Fahrrad, im Auto, im Zug oder sogar in einem schwimmenden Regenschirm. In diesem ungewohnten Umfeld sind es die Tiere, welche uns einen neuen Blick auf Altvertrautes ermöglichen.
May-Britt Nyberg Chromy, Jahrgang 1965, lebt in Feldkirch. Ihre Arbeiten gliedern sich in Werkreihen. Mit Titeln wie „Nordisches“, „Ein Tag am Meer“, „Flügel und Flossen“, „zwischen.töne“ und zuletzt „Inside-Outside“ war sie in den letzten Jahren in Vorarlberger Galerien präsent. Sie konnte sich vor allem mit ihren Acryl-Bildern und den Collagen einen Namen machen. Ihre poetischen Bilder sind stets vielschichtig, sowohl im Material wie auch in der Botschaft. Die „1000 Rentiere“ leben von diesem Augenzwinkern, das mit Ironie ein bitteres Thema beleuchtet.

May-Britt Nyberg Chromy: „1000 Rentiere“
K12 Galerie, Bregenz
bis 28.1.2013
Mi - Fr 15 - 17.30
Sa 10 - 11.30
www.k12galerie.at