Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Karlheinz Pichler · 01. Jän 2015 · Ausstellung

Subtiles Hacking des Alltäglichen - David Semper im Bregenzer Magazin 4

Das Bregenzer Magazin 4 beschließt mit David Semper "in aller Offenheit" das vor zwei Jahren gestartete Langzeitprojekt "six memos for the next". Semper präsentiert sich mit subtilen Interventionen im architektonischen Raum sowie mit einer Bodeninstallation, die vom Abbruchmaterial einer im Raum stehenden Rigipswand gespeist wird.

Mit dem in Berlin lebenden und arbeitenden Künstler Sven Johne und dessen Arbeit „The Greatest Show on Earth“ startete das Bregenzer Magazin 4 im März 2013 das auf zwei Jahre angelegte Ausstellungsexperiment „six memos for the next …“. Ein Projekt, das darauf abzielte, Begegnungen zwischen Kunstwerk, Künstler und Publikum unkonventionell und lustvoll neu zu denken. Mit einer Einzelausstellung des 1980 in Wuppertal geborenen und heute von Düsseldorf aus operierenden Kunstschaffenden David Semper läuft dieser Versuch nun seinem Ende entgegen.

Semper ist bekannt für sensible, total reduzierte Rauminterventionen. Häufig sind die mit viel handwerklicher Raffinesse getätigten Eingriffe vergänglich und nur für die jeweilige Ausstellungsdauer haltbar. Sie überdauern lediglich in fotografischen Dokumentationen. Wie beispielsweise die in die Wand hineinverputzten und verschliffenen Schulkreidestücke, die wie schmutzige Flecken am Gemäuer erscheinen und nach Ende der Ausstellung übermalt werden.

Sinnliche Setzungen


Mit seinen geschmeidigen, fast beiläufig und diskret gesetzten skulpturalen Manipulationen ist der deutsche Künstler eigentlich schon seit Anbeginn von „six memos for the next ...“ im Magazin 4 permanent präsent. Mit unscheinbaren Eingriffen hat er sich regelrecht und nahezu unbemerkt in das Raumgefüge eingeschlichen und festgesetzt. Verwiesen sei etwa auf ein blühendes Blau, das sich aus einem in den Putz eingearbeiteten Stempelkissen entwickelt hat, oder auf die von einem Dichtungsring einer Kaffemaschine eingefasste Alabasterscheibe. In der aktuellen Ausstellung bringt Semper serienweise Stempelkissen zur blauen Wandentfaltung. Wie bei einem "Fresko" frisst sich das Blau im Weiß weiter. Semper liebt es, wenn die Bilder aus sich selbst entstehen.

Für Semper sind banale, alltäglich benutzte Materialien ebenbürtig zu edlen Werkstoffen. Im Zusammenspiel erzeugen sie überraschende Sichtweisen. Es ist eine unscheinbare, lakonische Ästhetik, die sich ins Bewusstsein des Betrachters schmuggelt. Immer wieder entpuppen sich die Setzungen als sinnliche Ereignisse, die zu erfahren und zu ergründen Zeit und Aufmerksamkeit erfordert.

Das Leitmotiv für Sempers Schau "In aller Offenheit“ ist laut Begleittext „den Raum leeren und damit um so mehr für den Besucher öffnen“. Für die Installation "Santa Fe, Vorarlberg" bedient er sich am Raum direkt. Er demontierte einen Raumteiler aus Rigipsplatten und befestigte die entnommenen Plattenfetzen direkt auf dem Boden des Ausstellungsraumes. Insgesamt 78 Platten mit unterschiedlichsten Bruchstellen treiben solchart wie Schollen auf dem Fußboden. Semper öffnete mit dem Abbruch der Wand den Raum, der zuvor als Lager gedient hatte, und integrierte den von Verdübelungen und Nageleinschlägen malträrtierten Fußboden solcherart direkt in die Installation.

Sempers oft nur schwer erkenn- und wahrnehmbare "Hackings" des Alltäglichen sind letztlich schlichte und ästhetische Zeugen aus der Zeit heraus.

Zwischen Konzentration und Abweichung


Für Wolfgang Fetz, den Leiter des Bregenzer Kunstvereins, hat die zweijährige Versuchsanordnung immer wieder unvorhersehbare Entwicklungen und Wege genommen. „Was sich da in den vergangenen zwei Jahren abgespielt hat, war für die Kuratorengruppe wohl ebenso von Überraschungsmomenten durchzogen wie für unsere Besucher. Aber das Ganze war ja von vornherein nicht als Sache aus einem Guss geplant. Beginnend mit den drei ‚Verhauphasen’, bei denen fünfzig KünstlerInnen beteiligt waren, bis hin zum minimalistisch-reduzierten, leisen Ausklang mit David Semper, haben wir ein ständiges Spiel zwischen Konzentration und Abweichung auf der ‚Bühne Magazin4’ inszeniert“, resümiert er. Das Projekt sei auch organisatorisch extrem aufwändig gewesen, betont Fetz, der auch Ko-Kurator von „six memos ...“ ist. „Das wirklich Spannende und Interessante war für das Kuratorenteam vor allem diese Offenheit, mit der wir zwei Jahre lang vorgegangen sind. Wir haben zwar in unseren Konzeptphasen immer wieder spezifische Themen durchreflektiert, und zwar sehr diszipliniert, haben uns aber genauso gut auch ablenken, sozusagen ‚gehen’ lassen. Völlig ohne Korsett.“ So seien etwa die einzelnen Projektphasen jeweils auch für sich selbst als autonome Ausstellungen gestanden." Zum Abschluss des Projektes soll nun auch ein Buch präsentiert werden, das eine Art Resümee, ein Dokument, ein Projekt im Projekt verkörpern soll, wie Fetz betont.

 

David Semper: "in aller Offenheit"
Magazin 4, Bregenz
Bis 22. Februar 2015
Di-So 14-18
www.bregenzerkunstverein.at