vorarlberg museum plant für 2025 Ausstellung zu Franz Plunder (Foto: Stadtarchiv Bregenz)
Peter Niedermair · 03. Feb 2018 · Ausstellung

Typo Cuvée - Motterfonts-Weinedition - Das Druckwerk Lustenau und Sägenvier Design-Kommunikation widmen die Ausstellung „Motterfonts“ dem Pionier der Vorarlberg Graphik, Othmar Motter

Am 1. Feb. luden Saegenvier Dornbirn und das Druckwerk in die Hofsteigstraße nach Lustenau zu Typo Cuvée und damit zur Subskription des Buches von Elias Riedmann: Othmar Motter. Leidenschaft und Brot. Ein Streifzug durch das Archiv der Vorarlberg Grafik, das Anfang 2019 im Triest Verlag St. Gallen erscheinen wird.

Othmar Motter war Vorarlberger Designpionier und Meister der Extrabold. Seine Schriften sind international bekannt und prägten jahrelang das Erscheinungsbild von Marken wie Apple und Reebok. Das Druckwerk Lustenau und Sägenvier Design-Kommunikation widmen die Ausstellung „Motterfonts“ dem Pionier der Vorarlberg Graphik, Othmar Motter, und rufen damit die Präsenz und Eigenständigkeit seiner Entwürfe ins Erinnerung. Doch Motters Leidenschaft galt nicht nur der Typografie, er war auch ein Freund des guten Weines. Saegenvier, wo Elias Riedmann arbeitet, begrüßen diesen außerordentlichen Glücksfall und haben 83 Weinflaschen, rot und weiß, mit seinen Schriften gestaltet. Diese wurden bei der Vernissage stilvoll und mit launiger Ansprache des Saegenvierchefs Sigi Ramoser präsentiert und verköstigt. Der Erlös des Abends fließt in das Buchprojekt ‚Othmar Motter – Leidenschaft und Brot. Ein Streifzug durch das Archiv der Vorarlberger Graphik‘. „Blumig, frisch, charmant, harmonisch, elegant, intensiv, lebendig, klar,
brillant. Jedenfalls ganz nach unserem Gusto“, bestätigt der Text in der Einladung das reale Geschehen am Eröffnungsabend, der sehr gut besucht war. Das Buchprojekt dürfte ein Erfolg werden, auch weil das Buch von Elias Riedmann mehr ist als nur ein Streifzug durch das Archiv der Vorarlberg Grafik. Es ist ein Stück Vorarlberger Kulturgeschichte.

Motters Schriften und der Co-Working-Space

Während Tektura, Ombra, Corpus und Femina weltweit bekannt sind und genutzt werden, ist der Mann dahinter, Othmar Motter (1927-2010), höchstens Insidern ein Begriff. Motter war Vorarlberger Grafikdesign-Pionier, leidenschaftlicher Schriftgestalter und Mitbegründer des Ateliers Vorarlberg Graphik in Hard, 1952, welches auch als Vorreiter des Coworking-Space gesehen wird. Die Motter Tektura prägte über ganz lange Zeit das Markenbild von Apple und Reebok. Im Straßenbild Vorarlbergs gibt es bis heute zahlreiche Firmenlogos, die Motter für Industrielle hier im Land gestaltete. Bedeutende Aufträge nach 1945 kamen vor allem aus der boomenden Textilindustrie. Die Veröffentlichung der Motter Corpus bei der International Typeface Corporation in New York markierte den Zenit seiner Karriere als Schriftgestalter. Die Lehre des Schweizer Typografen Adrian Frutiger war neben der von Günter Gerhard Lange eine wichtige Grundlage für Motters Arbeit. Motters Tun, dass er alle Buchstaben in stundenlanger kontemplativer Ausdauer selber reinzeichnete, wurde von manchen gar als kreative Verschwendung bezeichnet. Er selbst lehnte die Arbeit am Computer ab. Heute sieht man die eigenständige Ausarbeitung als Qualitätsmerkmal. Auch in seinem Arbeitsstil war er ein bescheidener Mensch mit viel Humor und Tiefgang.

Ein Graphik-Designer und Schriftgestalter mit europäischem Format

Othmar Motter war Graphik-Designer und Schriftgestalter mit großem schöpferischem Potential und europäischem Format. Auch das frühe, bereits in den 50er Jahren entwickelte Geschäftsmodell einer emanzipierten Büropartnerschaft mit Kollegen war zukunftsweisend und wird heute über Vorarlberg hinaus praktiziert. Motters Plakate in den 70er- und 80er-Jahre waren herausragend und um Klassen besser und wirkungsmächtiger als das, was heute als Veranstaltungswerbung herumhängt , meint der in Schlins lebende Lustenauer Reinhard Gassner. Motter hat die Dinge auf den Punkt gebracht und sie damit lesbar gemacht. Seine Arbeit war geprägt von Reduktion, formaler Kraft und Kommunikationsfreude. Er war Pionier der Bildbedeutung in Farbe, Form und Schrift; er wusste, was die Dinge bedeuten und wie man diese Bedeutungen für die angewandte Gestaltung nutzt. Motter zählte zu den Pionieren der Gebrauchsgrafik nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich. Er schuf zahlreiche Firmenlogos - unter anderem jene für das österreichische Lotto und Toto - und war international auch als Schriftkünstler erfolgreich. Motter war der erste österreichische Grafiker, dem es in den 70er Jahren gelang, seine Typographie international zu platzieren. Vor allem seine Schrift Motter Tektura wurde von zahlreichen Unternehmen für ihre Logos verwendet, unter anderem jahrelang von Apple und Reebok. 1952 gründete er in Hard mit Hans Kaiser und Sylvester Lièka das Grafikstudio Vorarlberger Graphik. Alle drei waren Absolventen der Höheren Graphischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Wien.

Sylvester Lièka, sein erster Geschäftspartner bei der Vorarlberg Graphik, meinte einmal in einem Gespräch mit Jan Kammann (in: Othmar Motter, 1927-2010, Versuch einer Biographie. Master-Thesis an der FH Vorarlberg, Studiengang Intermedia, S. 22) , dass einer wie Motter in New York sicherlich viel mehr Erfolg hätte machen können. Wir kennen solche Karrierenbilder auch aus der Gegenwart, vgl. Stephan Sagmeister, über den Kurt Dornig in einem Buch von DesignAustria vor Kurzem Ähnliches, allerdings in umgekehrter Richtung, andeutet. In Hard gründen Motter und Lièka eine Atelierpartnerschaft mit Hans Oberbacher, der schon seit einigen Jahren für Vorarlberger Unternehmen wie Alma, Pfanner oder Elastisana arbeitete. 

Das Modell für Atelierpartnerschaft

Das Modell Vorarlberger Graphik beruhte auf zwei erfolgsversprechenden Prämissen, zum einen gingen 70 % der Spesen an den verantwortlichen Graphiker, mit dem Rest wurden 25 % der Unkosten fürs Atelier finanziert, und der kleine Rest von 5 % ging an die beiden Inhaber Motter und Lièka. Unter diesen Bedingungen konnten die Freien wie Selbstständige verdienen und mussten sich nicht um das Aquirieren von Aufträgen kümmern. Zum anderen durften die Graphiker neben der Kennzeichnung „Vorarlberg Graphik“ auch noch ihren eigenen Namen setzen. Die VG hatte als Kollektiv starke Auftritte, die einzelnen Graphiker wurden für ihre Leistungen entsprechend gewürdigt und machten sich einen Namen. Die meisten blieben nur ein paar Jahre; in den 50er Jahren gründeten viele Unternehmen eigene Werbeabteilungen. Sylvester Lièka wurde 1956 als Werbeleiter beim Dornbirner Textilunternehmen F.M. Hämmerle engagiert.

Othmar Motter war ein lebens- und sinnenfroher Mensch

Er war ein neugieriger Mensch, der sich für vieles interessiert hat, und die beiden, Lièka und er, hatten natürlich einen Superstrich. Sie konnten zeichnen und haben das alles nach Vorarlberg gebracht, als man im benachbarten Deutschland oder in der Schweiz schon wesentlich weiter war. Nora Stögerer hat in ihrem Buch „Bekannte / Unbekannte“ das Historische der Graphik in Österreich sehr umfassend beschrieben. Vor und während des Krieges waren sehr viele Graphiker emigriert, vor allem in die USA; nach dem Krieg sind einige wenige nur zurückgekommen, aber nicht nach Österreich, sondern nach Deutschland und in die Schweiz. Max Bill hatte am Bauhaus unterrichtet, in Österreich begann die Entwicklung bei Null. Im Ständestaat / Austrofaschismus , als die Welt mit Brettern vor dem Kopf beschlagen war, hatte man die gesamte Intelligenz aus dem Land getrieben und verjagt. Kurt Dornig: „Josef Binder ist nach Amerika gegangen und hat dort Karriere gemacht, hat TWA, die modernste Fluglinie der Zeit, gemacht. Österreich war außen vor; ich denke, dass Vorarlberg durch die Nähe zur Schweiz vielleicht einen kleinen Vorteil hatte. Und in Vorarlberg waren die Unternehmen auch bereit, gewisse Dinge aufzunehmen.“ (Dornig, Gespräch am 21.12.2015) Vorarlbergische Unternehmen waren stark exportorientiert und wussten deshalb, was anderswo passiert und haben das auch für ihre Gestaltung eingefordert. Man musste konkurrenzfähig bleiben; die Firma F.M. Hämmerle war eine der ersten, die einen Staatspreis für Werbung bekommen hat; und Lièka hat diesen Preis als Einzelperson bekommen und nicht als Agentur. Zur nächsten Generation, nach den Pionieren Lièka und Motter, zählten dann schon Graphiker wie Nolde Luger und Reinhard Gassner; parallel gab es Konzett, Ender, Erich Wiener, Harry Marte, Bitschnau. Motter, dann Reinhold Luger und Reinhard Gassner haben über das gute Design hinaus Bewusstseinsbildung betrieben.

Die Graphik-Design Landschaft in Vorarlberg

Nochmals Kurt Dornig: „Die Vorarlberger Graphiker haben international einen guten Ruf, innerhalb Österreichs ist es eine Marke. Es gibt zwar nicht so eine Lobby wie in der Architektur, aber es gibt in Vorarlberg zwei Bereiche, die outstanding sind und die jeder kennt. Die eine ist die Architektur, die andere ist Grafik-Design. Da vor allem wäre die Buchgestaltung herauszuheben, die absolut international mithalten kann. Es gab zwei Wettbewerbe zum Vorarlberger Grafik Design, 1989 und 1991, das war ausreichend, um Vorarlberger Graphik Design österreichweit als Marke zu etablieren; nebenbei wurde die Vielfalt der Szene dokumentiert. Ramoser, Sagmeister, Schedler, es gibt für die Größe des Landes eine Fülle an hervorragenden Grafik-Designern. Sozialisiert wurde man hier im Umfeld, bzw. ist weggegangen, nach Wien oder New York.“ Der junge Elias Riedmann, dessen Diplomarbeit an der Angewandten als Buchprojekt Anfang 2019 im St. Galler Triest Verlag erscheint, repräsentiert die allerjüngste Generation. Das sind jene Leute, die sich historisch bewusst in dieser hier beschriebenen Tradition begreifen. Während bedauerlicherweise in Österreich die Lehrpläne in den letzten zwei Jahrzehnten in Sachen Weltkultur und Geschichte laufend gekürzt worden sind, realisiert man die Bedeutung grundsolider, kreativer, traditionsbewusster, moderner Ausbildungsplätze, wie sie im Graphikdesign – parallel zur Architektur - besonders wichtig sind.

Ausstellung Typo Cuvée
2. Februar bis 2. März 2018
Druckwerk, Hofsteigstraße 21, 6890 Lustenau
Öffnungszeiten Do/Fr. 14–19.00 Uhr  
www.druckwerk-lustenau.at
www.facebook.com/Druckwerk.Lustenau

In der Reihe „Ali vs. Clay“ 5 ist am Montag, 5.2.2018 um 20 Uhr Ditte Knus Tønnesen zu Gast im Druckwerk. Die dänische Künstlerin Ditte Knus Tønnesen spricht über ihre Arbeit. Der Vortrag wird in Englisch sein. http://www.ditteknus.com

Elias Riedmann: Othmar Motter. Leidenschaft und Brot. Ein Streifzug durch das Archiv der Vorarlberg Grafik. 354 Seiten, Hardcover, Triest Verlag, St. Gallen. ISBN 978-3-03863-033-3 – zum Subskriptionspreis von Euro 40.- (statt 49.-) Bestellungen an order@triest-verlag.ch oder an Sägenvier, Sägerstraße 4, 6850 Dornbirn. Beim Kauf gibt es 5 digitalisierte Motterschriften gratis. Downloadcode im Buch.