"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Karlheinz Pichler · 26. Dez 2012 · Ausstellung

Von Farbe, Licht und Material erzeugte Schwebezustände – Rosa M Hessling und Edda Jachens in der Feldkircher Galerie Feurstein

Die Bilder von Rosa M Hessling bestehen aus vielen auflasierten Farbschichten. Die deutsche Künstlerin nutzt die Wirkungskräfte von Physik und Chemie, um die Gemälde aus jeder Blickrichtung und jedem Lichteinfall anders erscheinen zu lassen. Edda Jachens wiederum operiert mit dem Material Wachs, durch das die zugrunde liegenden Kompositionen hindurch schimmern. Auch wenn Hessling und Jachens werktechnisch sehr unterschiedlich vorgehen, geht es beiden in der Bildaussage um Wahrnehmungsverschiebungen, Sinnlichkeit, Unschärfen, Schwebezustände und die Auseinandersetzung mit Farb- und Lichträumen.

Die in Köln lebende und arbeitende Rosa M Hessling hat ursprünglich als radikale Farbfeldmalerin begonnen. Sie wollte sich in der Autorschaft völlig zurücknehmen und der Farbe freien Lauf respektive freien Raum geben. Durch diese Beschäftigung mit der radikalen Malerei ist sie in buchstäblichem Sinne auf das Licht gekommen. Heute sieht sie die Farbe nur noch als Lichtträger. Sie gibt dem Licht damit eine Fläche, der Betrachter kann es dort abholen.

Orchestrierung von Pigment, Farbe und Oberfläche

Die Werke der Kölnerin entstehen durch Lasiertechnik. Farbpigmente und Lacke trägt sie in unzähligen Schichten auf leichtgewichtige Verbundplatten aus Aluminium (Aludibondplatten) auf. Durch die Orchestrierung von Pigmenten, Farbigkeiten und Oberflächen erzeugt die Künstlerin „in höchstem Maße differenzierte Objektbilder, die selbst in der Lage sind, wie optische Batterien, Licht zu erzeugen,“ schreibt die Kunsthistorikerin Gabriele Uelsberg über das werkstrategische Vorgehen Hesslings. Durch das Zusammenspiel der Materialien erhalten die Oberflächen der Bilder einen metallischen, immateriellen Glanz. Wobei sich die Farbeindrücke mit der Bewegung des Betrachters entlang des Bildes und durch den Ausstellungsraum radikal verändern. Manchmal so extrem, dass ein schwarzes Bild auf einmal weiß erscheint. Dasselbe passiert auch durch die Variation der Sonneneinstrahlung oder die durch den Tageslauf sich permanent wechselnden Lichtverhältnisse in der Galerie.

Gegensatz zwischen Schwarz und Weiß aushebeln

Hessling, die dereinst bei Christian Megert und dem legendären Beuys-Freund Nam June Paik in Düsseldorf studiert hatte, gelingt es mit ihrer Vorgehensweise auch, den Dualismus respektive den Gegensatz zwischen Schwarz und Weiß auszuhebeln. Aus dem „entweder“ Schwarz „oder“ Weiß wird ein „sowohl“ Schwarz „als auch“ Weiß. Schwarz und Weiß sind nicht mehr zwei Antipoden, sondern bilden in sich eine geschlossene Einheit. Vergleichbar etwa dem Yin und Yang in der chinesischen Philosophie. Die Malerin, die einem immer wieder auch als Fotokünstlerin begegnet, erreicht diesen Effekt der permanenten Veränderung mit Hilfe einer technisch relativ neuen Generation von Pigmenten von irisierendem Farbenspiel, das durch Lichtbrechung an dünnen, halbtransparenten Schichten, Glanz- und Interferenzeffekten je nach Blickwinkel die Bandbreite zwischen verschiedenen Tönungen durchläuft. Dadurch entsteht der Eindruck eines sich ständig aus der Tiefe der Bildfläche chromatisch verändernden Leuchtens.

Dem direkten Blick entziehen

Auch die 1960 in Bremen geborene und heute in Stuttgart beheimatete Kunstschaffende Edda Jachens sagt von sich, dass sie in der „maximalen Reduktion“ immer ihre Stärken erfahren habe. Wobei sie stets auf transparent-milchig erscheinendes Paraffin zurückgreift, um ihre konkrete Malerei wie hinter einem Schleier dem direktem Blick zu entziehen. „Farbe, Muster und Wachs bewirken gemeinsam eine Atmosphäre von Ruhe, Ordnung und Schutz, dem die Perfektion und Sorgfalt der Ausführung etwas Erhabenes hinzufügt,“ schreibt Susannah Cremer-Bermbach über Jachens Art der Bildgestaltung. Wobei die Wachsschicht, die das Bildinnere wie ein schützender Film überlagert und den Betrachterblick in Zwischenräume führt, durch die weiche Konsistenz ihrer Oberfläche selbst ungeschützt bleibt.

Neben Acryl und Paraffin auf Holz sind in der Galerie Feurstein auch von Wachs überzogene Graphit- und Farbzeichnungen auf Büttenpapier von Edda Jachens zu besehen. Durch die paraffine Überlagerung der linearen Netzwerke, Kreisformen und anderen Geometrien, die die Künstlerin dem Papier eingeschrieben hat, wird dem konstruktivistisch-geometrischen Formenvokabular quasi die Schärfe entzogen. Geometrie, die ja grundsätzlich für eine extreme Genauigkeit steht, wird in einen nebulosen Raum von Durchlässigkeiten überführt. Durch das Wachs geraten die Formen und Linien in eine Art Schwebzustand und breiten sich imaginär im Raum aus. Sie geraten in Bewegung, obwohl sie doch in Stille verharren. Die exakten Linien verschwimmen gleichsam, die starre Linearität verliert sich in einem fast lyrischen Raum dreidimensionaler Illusion und Unschärfe. Wobei das Paraffin wie eine Nebelwand wirkt. Liniennetzwerke oder Kreisverbindungen erhalten durch die Einbindung in das Wachs eine enorme Tiefenwirkung, für den Betrachter erzeugen die eingeschriebenen Zeichnungen dadurch ein fast hologrammatisches Erscheinungsbild.

Rosa M Hessling, Edda Jachens: „Unsagbar“
Galerie Feurstein, Feldkirch
Bis 21.1.2013
Di, Mi, Do, Fr: 13-17
Sa 11-15, u. n. Vereinbarung
www-galeriefeurstein.at