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Karlheinz Pichler · 01. Feb 2015 · Ausstellung

Zwei ungleich gleiche Landschaftsmaler - Ferdinand Hodler und Jean-Frédéric Schnyder im Kunsthaus Zürich

Zusammen mit David Weiss bildete Peter Fischli das weltberühmte Künstlerduo Fischli/Weiss. Seit sein Partner Weiss gestorben ist, ist Fischli offensichtlich auch unter die Kuratoren gegangen. Für eine von ihm betreute Ausstellung im Kunsthaus Zürich hat sich Fischli ein überaus ungleiches Maler-Gespann ausgesucht. Ferdinand Hodler, ein Säulenheiliger der Schweizer Kunst, und Jean-Frédéric Schnyder, der durch seine frech-verspielten Farberuptionen bekannt ist.

Ferdinand Hodler und Jean-Frédéric Schnyder sind zwei Künstler, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Hodler stammt aus der Welt des 19. Jahrhunderts und frönte dem Ideal. Schnyder ist ein Mensch der Gegenwart und lässt alle Konventionen an sich abgleiten. Was die beiden verbindet, ist die Lust an der Landschaft. So wie Hodler sich einst in die Natur begab, um Eiger, Mönch und Jungfrau zu malen, so ist Schnyder rund 100 Jahre später ausgezogen, um Wohnblock, Coop und Baukran auf die Leinwand zu bannen. Die Schweizer Landschaft landete gleichsam ungeschminkt auf der Leinwand, nachdem Schnyder die Suche nach einem erschwinglichen Atelier aufgegeben und sich aufs Rennrad geschwungen hatte, um draußen zu malen. Peter Fischli hat das Werk der beiden Schweizer Maler im Kunsthaus Zürich einer witzig-ironischen Gegenüberstellung unterzogen.

Das „Ungleiche“


Grundlage der Ausstellung sind Zeichnungen und Gemälde Ferdinand Hodlers aus eigenen Beständen des Museums, nämlich Landschaften, Naturstudien, Figurenkompositionen und Porträts. Konzeptuell darauf bezogen sind Jean-Frédéric Schnyders Bilderzyklen "Berner Veduten" (1982–1983) und "Am Thunersee" (1995), deren Werke von musealen wie auch privaten Leihgebern stammen. Fischli, der für die Werkauswahl vom Kunsthaus eine Carte Blanche erhielt, geht den Gemeinsamkeiten, aber insbesondere auch dem „Ungleichen“ zwischen den beiden Künstlern auf den Grund. Für Kurator Fischli ist der Begriff des „Ungleichen“ denn auch der unausgesprochene Titel der Schau.

Fischli präsentiert die Werke der beiden notorischen Maler im zweiten Stock des Hauses streng getrennt in jeweils eigenen Räumen. Jedoch scheinen die Werke über die Räume hinweg miteinander zu korrespondieren, sie scheinen sich einiges zu sagen zu haben.

Kontrapunkte


Jean-Frédéric Schnyder setzt mit seiner Serie der "Berner Veduten" einen markanten Kontrapunkt zu Hodlers idealen Landschaften. Während Hodler seine Landschaften von allem Zufälligen reinigte und auf der Suche nach Parallelen und dem Ideal war, gilt Schnyders Blick ganz dem Ist-Zustand des Alltags. In grellen Farben schichtet er etwa das orange "M" der Migros auf die Leinwand oder wählt die Tankstelle unmittelbar neben dem Hochhaus als Sujet. Und auch wenn sich Schnyder fallweise Hodler annähert und in einer weiteren Serie über Wochen immer wieder den Niesen am Thunersee malt, dann ist seine Arbeit bei aller Ästhetik der Veränderung durch Licht und Jahreszeit eher dem Dokumentarischen als einem Idealzustand verpflichtet.

Dass die beiden Schweizer Maler sehr gegensätzliche Ansprüche an das Bild stellen, demonstriert Kurator Fischli auch an anderer Stelle. So hat Fischli etwa einem Selbstporträt Hodlers, das einen stolzen jungen Mann zeigt, ein Bild Schnyders gegenübergestellt, das einen comicartig hingepinselten Mann im Pariser Montmartre-Quartier beim Pinkeln zeigt. Hodler hatte seinerzeit zwar der Malerei des schönen Scheins, wie sie an den Kunstakademien gelehrt wurde, eine Absage erteilt und für sich einen geradezu expressiven Stil gefunden. Für Schnyder verlangt das Zeichen der Zeit rund hundert Jahre später zusätzlich noch eine inhaltliche Absage an das "Schöne".

Malerei über die Malerei


Die Malerei ist bereits bei Hodler als Thema stets omnipräsent. Bei allen Unterschieden erweist es sich somit als große Gemeinsamkeit, dass die Malerei sowohl bei Hodler als auch bei Schnyder vor allem von der Malerei selber handelt. Jenseits von Ikonografie und Kategorisierungen erlaubt es die Ausstellung, am künstlerischen Blick auf die Umsetzung der Welt in Malerei Anteil zu nehmen. Mit rund 25 Gemälden und 35 Zeichnungen Hodlers ist die Ausstellung mit Arbeiten des Altmeisters reich bestückt. Viele dieser Werke waren seit Jahrzehnten nicht zu sehen und kommen aus dem Kunsthaus-Depot ans Licht. Jean-Frédéric Schnyders Schaffen wiederum ist anhand von 120 Werken zwischen 1982 und 1995 repräsentiert.

Der Künstler als Kurator


Der besondere Blick, den Fischli auf diese beiden Ausnahmekönner der Malerei wirft, der Rhythmus, die Lust und der Witz, mit dem er die Werke präsentiert, verrät den Künstler hinter dem Kurator. Und auch wenn Fischli meint, Kuratieren sei nicht Kunst machen und eine Ausstellung kein Werk. Auf diese Art und in diesem Zusammenhang jedenfalls hat man Hodler noch nie gesehen, und Schnyder auch nicht.

 

Ferdinand Hodler/ Jean-Frédéric Schnyder
Kuratiert von Peter Fischli
Kunsthaus Zürich
Bis 26.4.2015
Di/Fr/So 10–18, Mi/Do 10–20
www.kunsthaus.ch