„Schlussendlich versuche ich immer meine eigene Stimme zu finden“ – Interview mit David Helbock
Der mittlerweile in Berlin lebende David Helbock ist sowohl als Pianist als auch als Komponist eine faszinierend vielfältige Persönlichkeit. Neben dem außergewöhnlichen Trio „Random/Control“ mit Johannes Bär und Andreas Broger, mit dem er soundmäßig ständig Neuland betritt, hat er Duos mit dem Geiger Simon Frick und dem Trompeter Lorenz Raab und natürlich sein erfolgreiches Solo-Programm „Purple“ mit Prince-Songs. Mit seinem neuen Trio mit dem Drummer Herbert Pirker und dem Bassisten Raphael Preuschl, der hier Bassukulele spielt, war David Helbock im vergangenen Jahr rund um den Globus unterwegs, ehe er beim Berliner Label Traumton Records die nun präsentierte Debut-CD „Aural Colors“ aufgenommen hat. Peter Füßl stellte David Hel-bock ein paar Fragen zur neuesten Produktion und zu seinem Mitwirken im neuen Or-chestra des Trompeters und Komponisten Michael Mantler, der – vor allem auch mit Carla Bley – ein Stück Jazzgeschichte geschrieben hat.
Das neue Trio: In vielen Konzerten bereits bestens eingespielt
Herbert Pirker und Raphael Preuschl sind seit vielen Jahren ein bestens eingespieltes Rhythmusgespann, und gemeinsam habt Ihr auch schon zahlreiche Konzerte hinter Euch. Beim Anhören von „Aural Colors“ entwickelt sich fast so etwas wie ein Live-Feeling. Zwischen Euch scheint die Chemie extrem gut zu stimmen.
Ja. Herbert und Raphael spielen schon seit über 15 Jahren sehr viel zusammen und sind und waren so die „Rhythmusgruppe“ in sehr vielen Bands. Das ist für mich sehr spannend, weil alles sehr viel schneller geht, da einfach gewisse musikalische Elemente schon klar sind und man darüber gar nicht mehr reden muss. Für mich ist das eine andere Arbeitsweise, was aber auch an der Besetzung liegt, weil es einfach schon tausende „Klaviertrios“ mit Bass und Schlagzeug gibt und es dadurch auch etliche vorgetretene Pfade gibt, die man beschreiten oder eben bewusst vermeiden kann. Ganz konträr also zur Arbeitsweise mit meiner Band „Random/Control“, wo wir mit knapp 30 Instrumenten zu dritt musizieren - hier müssen wir quasi alles von Null auf neu erfinden, weil es so eine Besetzung einfach noch nicht gibt.
Bei diesem neuen Trio kann ich aber ohne Weiteres ein neues Stück mit auf den Soundcheck bringen, und es wird dann gleich schon gut klingen, und wir können danach drüber reden, was wir anders machen wollen. Aber es gibt quasi eine Basis, von wo aus wir starten können. Diese Basis gibt es mittlerweile bei Random/Control auch, aber am Anfang mussten wir das erst entwickeln.
Noch dazu haben wir dann als Trio die letzten drei Jahre sehr viel zusammengespielt und auch die Welt zusammen bereist - das ist auch ein extremer Luxus. In der heutigen Zeit ist es meist so, dass man mit einem neuen Projekt eine CD aufnimmt, um diese dann an Veranstalter schicken zu können und so Konzerte bekommt und erst bei diesen Konzerten sich dann „richtig zusammenspielt“. In diesem Fall war das ganz anders, weil wir wirklich als eingespielte Band ins Studio gegangen sind. Zusätzlich denke ich auch, dass dieses Live-Feeling auch dadurch entsteht, wie wir die CD technisch aufgenommen haben. Nämlich in den Traumton-Studios in Berlin: zu dritt ganz nahe zusammen in einem größeren Raum aufgestellt und ohne Kopfhörer – wie also auf der Bühne auch. Es ist also quasi eine Live-Aufnahme ohne Publikum, weil wir dann auch gar keine technischen Edits im Nachhinein verwendet haben und auch maximal zwei Takes pro Stück aufgenommen haben.
Du verzichtest auf Keyboards und Elektronik, erzielst aber interessante Verfremdungseffekte durch mechanische Manipulationen der Saiten. Interessiert Dich das derzeit mehr?
Mich interessiert beides. Auch Keyboards und Elektronik finde ich faszinierend. Aber diese Band hat, obwohl das die Debut CD ist, schon eine ziemliche Entwicklung durchgemacht. Am Anfang habe ich in diesem Trio noch sehr viel Elektronik verwendet und fast alle Melodien mit einem Synthesizer gespielt. Irgendwann dann haben wir immer mehr Konzerte ganz akustisch gespielt und ich bin auch für mich selber drauf gekommen, dass mir das in diesem Kontext besser gefällt, noch dazu weil ich eben mit meinen „Inside-Piano“-Sounds trotzdem den Klang des Klaviers auch akustisch verändern kann.
„Aural Colors“
Der Zusammenhang zwischen Farben und Musik war schon vielen Komponisten ein Thema. Wie sieht das im Fall Deiner „Aural Colors“ aus?
Dieser Titel der CD hat mehrere Gründe. Natürlich habe ich mich als Komponist auch mit Farben beschäftigt und einige meiner Stücke sind mit gewissen Farben im Hinterkopf entstanden. Ich wollte dieses Mal aber auch einen sehr allgemeinen Titel. Meine letzten CDs hatten immer ein sehr eindeutiges Konzept, einen sehr eindeutigen roten Faden, der sich durch die ganze CD zieht. Dieses Mal war es mir wichtig, einfach meine Musik für sich selber sprechen zu lassen. Farben sind ja ein sehr allgemeines Thema, auch sehr subjektiv. So stellt sich wohl jeder andere Farben vor, wenn er gewisse Musik hört. Noch dazu war ich vor mehr als einem Jahr bei meinem Freund und Maler Wilfried Rameder in Wien zu Besuch, und über seinem Bett hing sein Gemälde, das jetzt das Cover der CD geworden ist. Ich wusste, gleich als ich dieses Bild gesehen habe, dass ich mir das einmal auf einer CD von mir vorne drauf wünschen würde.
... einfach auch Spaß haben
Auch bei den Kompositionen für dieses Trio hat man das Gefühl, dass Witz und Humor einen wichtigen Stellenwert haben.
Wir haben sehr viel Spaß auf der Bühne. Und auch sonst, wenn wir auf Tour sind. Das spiegelt sich sicher in der Musik wider. Aber ich schreib eigentlich nie ein Stück mit dem Hintergedanken, dass dieses Stück jetzt lustig oder humorvoll sein soll. Das ergibt sich dann auf der Bühne oder auch nicht. Ich will meine Gefühle in meinen Kompositionen und auch auf der Bühne verarbeiten, aber natürlich will ich auch ab und zu einfach nur Spaß auf der Bühne haben.
Kompositorische Vielfalt
Arnold Schönberg und Bruno Wiederin sind die beiden Fremdkomponisten auf dieser CD – unterschiedlicher geht’s kaum. Dazu kommen Deine Kompositionen „AM – Anonymous Monkaholics“ und „Para Hermeto“, unschwer zu erkennen, dass sie Thelonious Monk und Hermeto Pascoal gewidmet sind. Spiegeln diese vier Eckpunkte in etwa die enorme Bandbreite Deiner kompositorischen Interessen wider?
Ich beschäftige mich mit ganz verschiedener Musik, lasse mich dadurch zu meiner eigenen Musik inspirieren und scheue mich dann auch nicht, das alles in ein Konzert oder auf eine CD zu pressen. Aber schlussendlich versuche ich immer meine eigene Stimme zu finden und – natürlich immer mit großem Respekt vor dem Original – und Fremdkompositionen so umzuarrangieren, dass sie ganz mein Eigen werden. Alle von Dir genannten Komponisten sind für mich und meine musikalische Entwicklung sehr wichtig. Ich habe Klassik studiert und interessiere mich sehr für zeitgenössische Musik und habe mich auch mit der Vorarlberger Volksmusik beschäftigt. Monk und Hermeto habe ich meine letzte CD mit Random/Control gewidmet, auf der wir ausschließlich deren Stücke spielen. Auch diesmal wollte ich, dass sie zumindest mit je einem Stück vertreten sind.
In Michael Mantlers „The Jazz Composer’s Orchestra Update“
Vor kurzem wurde auch eine interessante Produktion von Michael Mantler veröffentlicht. Er hat für ECM mit lauter Musikern der Wiener Szene die Musik des legendären New Yorker Jazz Composer’s Orchestra von 1968 neu eingespielt. Damals hießen die Solisten Don Cherry, Pharaoh Sanders, Larry Coryell und am Klavier saß kein Geringerer als Cecil Taylor. In der neuen Version spielten Harry Sokal, Wolfang Puschnig, das radio.string.quartet.vienna und am Piano bist Du gesessen. Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Wie siehst Du die beiden „Orchestras“ im Vergleich?
Michael Mantler ist für mich einer der spannendsten Komponisten der Gegenwart. Auch weil er Improvisation und Komposition so gut miteinander verbindet. In diesem Projekt haben die Bläser oft sehr komplexe ausgeschriebene Linien zu spielen und die Rhythmusgruppe hat – natürlich mit kleinen Anweisungen des Komponisten – mehr Freiheit und kann so eigene Farben kreieren. Im Original von 1968 spielen Cecil Taylor und Carla Bley, die damalige Frau von Michael, Klavier. Beide sind wichtige Einflüsse für mein Klavierspiel, und ich habe es deshalb von vornherein sein lassen, zu versuchen, hier irgendetwas oder irgendjemanden zu kopieren. Da hätte ich bei solchen Kalibern ohnehin verloren gehabt. Ich habe versucht, auch hier meine eigene Stimme in die Musik einfließen zu lassen. Es war ein großer Luxus mit den besten Musikern in Wien eine Woche lang zu proben und dann diese CD in drei Live-Konzerten im Porgy&Bess aufzunehmen. Und speziell bei diesem Projekt habe ich auch gemerkt, wie gut es mir tut, auch mal mit ganz anderen Musikern zu spielen und nicht nur meine eigenen Sachen zu machen. Ich habe richtig gemerkt, wie mich die Musik von Michael dann auch in meinen eigenen Kompositionen, die danach entstanden sind, beeinflusst hat.
2015: Viele Konzerte, aber auch die „eher ruhige, spirituelle Seite entdecken“
Gibt es für 2015 schon konkrete Pläne?
Mit Random/Control waren wir 2014 sehr viel unterwegs und haben unsere letzte CD in fast 50 Konzerten vorgestellt. Auch 2015 werden wir auf einigen Festival vertreten sein, und natürlich werde ich zuerst einmal mit dem neuen Trio mit „Aural Colors“ viele Konzerte spielen. Zusätzlich ist ein Big-Band Projekt in Planung und auch ein neues Projekt mit Michael Mantler steht im Herbst an. Außerdem habe ich schon seit längerem das Bedürfnis, meine eher ruhige, spirituelle Seite zu entdecken - hier entsteht gerade viel neue Musik.