Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 23. Feb 2015 · CD-Tipp

Björk: Vulnicura

Ist es zynisch, wenn man dem Medienkünstler Matthew Barney dankbar ist, dass er seine langjährige Beziehung zu Björk geschmissen hat? Wahrscheinlich schon, andererseits sind Trennungsschmerz, Angst, Wut und Verzweiflung die Triebfedern für das seit langem beste und zugänglichste Album der Isländerin, deren musikalische Anziehungskraft zuletzt im ziemlich übersteigerten technoiden Experiment „Biophilia“ etwas verloren gegangen war.

Die neun Songs auf „Vulnicura“ (Wundheilung) hat Björk – man beachte auf dem Coverfoto die vulvaförmig klaffende Wunde inmitten ihrer Brust – mit offenem Herzen geschrieben. Thematisch geht es um die Bewältigung einer alles erschütternden Lebenskrise, die sie kurz vor ihrem 50. Geburtstag ereilte. Musikalisch hat sie in den Soundbastlern Arca und The Haxan Cloak geniale Mitstreiter gefunden, um ihre aufgewühlten Emotionen in die passenden Soundscapes einzubetten. Pochende elektronische Beats, eigenwillige Klangfragmente und vor allem die von Björk selber ausgetüftelten, höchst abwechslungsreichen und atmosphärisch dichten Streicherarrangements steigern die ohnehin schon schwindelerregende Expressivität ihrer unverwechselbaren Stimme. Songs wie der wehmütige auch als Single ausgekoppelte Opener „Stonemilker“, das vielfältig schillernde und erschütternde zehnminütige „Black Lake“ oder der hoffnungsfrohe „Atom Dance“ samt Gastauftritt von Antony Hegarty sind schlicht und ergreifend Björk at her best! Für dieses aufwühlende Traumalbum wird sie mit Sicherheit jenen Respekt bekommen, den sie von ihrem Verflossenen auf Albumlänge einfordert, weil sie es endlich wieder einmal geschafft hat, Intellekt und Gefühlswelt gleichermaßen zufriedenzustellen!

(One Little Indian/Embassy of Music/Warner)