Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Peter Füssl · 14. Sep 2011 · CD-Tipp

David Helbock/Simon Frick: Diagonal

Vom beschaulichen Opener „Nachtlied 1“ mit seinen zart hingetupften Klavierakkorden und den leicht schrägen Geigentönen sollte man sich nicht täuschen lassen, denn schon im zweiten Stück „Time Between Past And Future“ geht die Post ab, oder scheint sie erst einmal abzugehen, denn bereits nach zwei Minuten wechselt das Stück nach einem effektvollen Break komplett den Charakter und nimmt erst nach einem Interlude wieder den ursprünglichen Drive auf. Ständige Tempowechsel, effektvoller Einsatz von Electronics, präpariertes Klavier – die Herren bieten etwas für’s Geld.

Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz. Klingt „Herzberger“ erst einmal nach einem virtuosen Gipsy-Swing, so wechselt die Geige bald auf verzerrte, E-Gitarren-mäßige Töne, und der Swing gewinnt zunehmend an handfester Dramatik, die aber immer wieder mal von konventionelleren Tönen, kleinen Ausflügen in die Zwölftonmusik oder aber auch von völlig freien Noise-Exzessen durchbrochen wird. Jerry Goodman lässt grüßen - grandios! Und das waren erst einmal die ersten drei von zehn Stücken, deren Urheberschaft sich die beiden Protagonisten halbieren. Sowohl der Pianist David Helbock als auch der Geiger Simon Frick sind phänomenale Techniker, die keinerlei Genregrenzen scheuen und einen schier unerschöpflichen Drang zum musikalischen Experiment haben. Jazz, Rock, Blues, Soul, Neue Musik, Free – völlig egal, wenn’s musikalisch passt, gerne auch alles im selben Stück. Hier lauert an jeder Ecke eine Überraschung, das Instrumentarium wird auf konventionelle und unkonventionelle Weise klanglich ausgereizt bis zum Geht-nicht-mehr – und dann geht’s, vor allem bei der Geige, erst noch elektronisch weiter. Von dieser Menge an musikalischen Einfällen würden manch andere ein Musikerleben lang zehren. Der musikalische Dialog macht Helbock und Frick hörbaren Spaß, und auch die Lust an der geilen Show ist spürbar – und dennoch hat man nie das Gefühl, dass hier etwas nur zum eitlen Selbstzweck passiert. „Just A Serious Joke“ heißt der vorletzte Titel – so hätte man gleich auch das ganze grandioses Album taufen können!
(Traumton Records)

Konzert-Tipps:

23.9. Sargfabrik Wien; 30.10. Remise Bludenz; 2.12. Theater Kosmos Bregenz; 5.1.2012 Saumarkt Feldkirch