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Peter Füssl · 09. Mai 2016 · CD-Tipp

Jack DeJohnette / Ravi Coltrane / Matthew Garrison: In Movement

Es gibt viele exzellente Schlagzeuger, und es gibt einige fast schon mystisch wirkende Hüter der Zeit, die sich ungeachtet aller Naturgesetze mit ihr spielen, sie nach Lust und Laune pulsieren und vibrieren oder auch dehnen können, und deren Rhythmusarbeit einen niemals versiegenden Fluss an Impulsen und Inspirationen für die Mitmusiker bereit hält. Cool brodelnd, beinhart elastisch. So einer ist der 73-jährige Jack DeJohnette, ein Urgestein des modernen Schlagzeugspiels, in dessen Lebenslauf sich mehr oder weniger alle wesentlichen Namen der letzten fünf Dekaden Jazzgeschichte finden. Zwei davon, John Coltrane und Jimmy Garrison, standen vor 50 Jahren ganz am Anfang von DeJohnettes Karriere, und so könnte man auch eine nostalgische Komponente dieses musikalischen Unternehmens vermuten, wenn sich dieser nun mit deren, ihm von frühester Kindheit an eng verbundenen Söhnen Ravi und Matthew zum Trio formiert.

Tatsächlich ist aber „In Movement“ der perfekt passende Titel für ein Projekt, das im Bewusstsein einer lebendigen Vergangenheit auf geschmackvoll unaufgeregte, aber unglaublich wirkungsvolle Art nach vorne prescht. Denn Ravi Coltrane hat auf dem Tenor-, Sopran und Sopranino-Sax längst seine äußerst expressive eigene Stimme gefunden, ebenso wie Matthew Garrison am fünfsaitigen E-Bass und als versierter elektronischer Klangzauberer. Folglich wird mit Klassikern wie John Coltranes „Alabama“, „Blue in Green“ von Miles Davis/Bill Evans (beides ehemalige Arbeitgeber Jack DeJohnettes) oder dem mitreißenden „Earth Wind and Fire“-Hit „Serpentine Fire“ aus dem Jahr 1978 keineswegs Ahnenkult betrieben. Vielmehr verstehen es DeJohnette, Coltrane und Garrison, diese exquisiten Stücke völlig klischeefrei und höchst lebendig ins musikalische Hier und Heute zu transferieren, sodass sie perfekt mit aktuellen Kompositionen des generationenüberspannenden Trios wie dem Titelstück „In Movement“ oder dem Jimmy Garrison und Jimi Hendrix gewidmeten „Two Jimmys“ harmonieren. Das vorletzte Stück „Rashied“, von DeJohnette und Ravi Coltrane im Duo gespielt, ist eine äußerst explosive Hommage an den ebenfalls mit John Coltrane verbundenen Avantgarde-Drummer Rashied Ali. Mit „Soulful Ballad“ und Jack DeJohnette am Klavier klingt diese grandiose Produktion stimmungsvoll aus. Dieser, unter der Regie von Manfred Eicher in den New Yorker Avatar Studios aufgenommene Geniestreich – für Ravi Coltrane und Matthew Garrison das ECM-Debut, während Jack DeJohnette seit Ewigkeiten zu den Topstars des Münchner Labels zählt – ist mit Sicherheit ein Top-Anwärter für das „Album des Jahres“.

(ECM/www.lotusrecords.at)