Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 20. Nov 2012 · CD-Tipp

Jacky Terrasson: Gouache

Allein schon diese unglaubliche Interpretation des Amy Winehouse Klassikers „Rehab“ macht die jüngste CD des frankoamerikanischen Pianisten und Keyboarders Jacky Terrasson zu einem Must-have.

Da wird nicht einfach ein bisschen über eine gassenhauerisch eingängige Melodie improvisiert, vielmehr pinselt Terrasson mit Tönen in nicht einmal vier Minuten so etwas wie eine musikalische Charakterstudie dieser genialen Grenzgängerin hin – zwischen Lethargie und Aufbegehren, Euphorie und Verzweiflung. So ein klares Seelenportait hat mit Sicherheit keiner der mit dieser tragischen Ausnahmesängerin befassten Psychologen hingekriegt. Aber „Gouache“ umfasst noch neun weitere Stücke – eine wahre Wundertüte an auf den ersten Blick inkompatibel wirkenden, aber durchwegs geschmackvoll arrangierten Überraschungen. So steht Justin Biebers „Baby“ als perlender Hochgeschwindigkeits-Swing, der durch eine soulige Fender Rhodes-Attacke wirkungsvoll unterbrochen wird, neben John Lennons  „Oh My Love“, Erik Saties „Je Te Veux“, neben dem „Valse Hot“ von Sonny Rollins oder Henri Bettis „C’est si bon“. Um das alles zusammen mit durchaus bemerkenswerten Eigenkompositionen stimmig unter einen Hut zu bringen, braucht es schon das Temperament, den Witz und den Erfindungsreichtum eines Jacky Terrasson. Was sich da an verblüffenden Tempowechseln, rhythmischen Bocksprüngen und stilistischen Grenzüberschreitungen abspielt, wie wirkungsvoll er innerhalb eines Stückes mehrfach zwischen akustischem Piano und Fender Rhodes hin- und herwechselt, das bereitet Hörvergnügen pur. Bassist Burniss Earl Travis II. und Drummer Justin Faulkner erweisen sind in jeder Hinsicht als zuverlässige und inspirierende Weggefährten. Der renommierte Bassklarinettist Michel Portal und Trompeter Stephane Belmondo steuern wunderbare Soli bei, und die hochgelobte Vokalistin Cécile McLorin Salvant veredelt zwei Songs mit ihrem ausdrucksstarken Organ, von dem man allzu gerne noch mehr hören würde. Was die französische Jazz-Szene nicht alles zu bieten hat – c’est formidable!

(Emarcy Records/www.universalmusic.at)