Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Füssl · 29. Sep 2014 · CD-Tipp

Mark Turner Quartet: Lathe of Heaven

Mark Turner war in den vergangenen Jahren zwar durch seine herausragenden ECM-Veröffentlichungen mit dem gemeinsam mit Larry Grenadier und Jeff Ballard kollektiv geleiteten Trio Fly oder auf Alben von Stefano Bollani oder Billy Hart durchaus präsent, „Lathe of Heaven“ ist aber nach 13 Jahren wieder die erste Produktion, die der Saxophonist als Bandleader zu verantworten hat.

Wie bei Fly verzichtet er auch im Quartett auf Piano oder Gitarre als Harmonieinstrument, was seinen ausgeklügelten Kompositionen etwas ebenso Leichtes und Luftiges wie Geheimnisvolles verleiht. Im Zentrum des musikalischen Geschehens steht das kongeniale Zusammenspiel von Turner mit dem Trompeter
Avishai Cohen, zwei großartigen Solisten, deren Melodielinien sich in höchster Perfektion und Konzentration ergänzen, ineinander verzahnen oder kontrastieren. Beide setzen in hohem Maße auf eine dem Cool-Jazz verwandte Ästhetik, perfekte Intonation und eine wohltemperierte Expressivität, die ihren Reiz nicht aus übertriebener Dynamik oder Exaltiertheit schöpft, sondern für eine stets anhaltende Spannung sorgt, die mehr oder weniger überraschend, manchmal auch gar nicht aufgelöst wird. Kontrabassist Joe Martin und Drummer Marcus Gilmore liefern den beiden Bläsern mit großer Sensibilität und verblüffendem Einfallsreichtum einen luftig-durchlässigen und dennoch kraftvollen rhythmischen Background, der die großteils eher getragen wirkenden Midtempo-Nummern
zu Kammerjazz-Preziosen von diskreter Schönheit veredelt. Ob sich Turner wie in seinem „Sonnet for Stevie“, einer knapp 13-minütigen Hommage an Stevie Wonder, mit seinem vergeistigten Verständnis des Blues auseinandersetzt oder sich wie beim Titelstück von Science Fiction-Romanen inspirieren lässt, hier geht es stets um eine wohl überlegte und ausgeklügelte, aber niemals blutleer wirkende Musik, die Intellekt und Emotion zu einem harmonischen Ganzen vereint. Erst bei voller Konzentration entfaltet sie ihren ganzen Zauber, dann wird das Zuhören aber zum absoluten Genuss.

(ECM/www.lotusrecords.at)