Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 02. Jul 2012 · CD-Tipp

Melody Gardot: The Absence

Ihr vor drei Jahren erschienenes Album „My One And Only Thrill“ verkaufte sich mehr als eine Million mal und brachte ihr drei Grammy-Nominierungen ein, aber die experimentierfreudige Melody Gardot ist nicht der Typ Sängerin, um sich lange auf Lorbeeren auszuruhen, sich unendlich selber zu kopieren und die Erfolgswelle dann schließlich doch noch zu Tode zu reiten.

Für ihr drittes Studioalbum „The Absence“ begab sich die 27-jährige US-Amerikanerin auf ein völlig neues musikalisches Terrain und verbrachte jeweils Wochen in Marrakesch, Lissabon, Buenos Aires und an den Stränden Brasiliens mit musikalischen Feldforschungen und einheimischen Musikern. Zurück in den USA hatte sie nicht nur ein gutes Duzend exzellenter Songs im Gepäck, sondern auch ein authentisches Feeling für Samba, Bossa Nova, Tango und Fado, das auf „The Absence“ – mit dem sie sich von der Schwermütigkeit und Pop-Nähe ihrer Vorgängeralben verabschiedet – aus jedem Ton herauszuhören ist. Der aus Brasilien stammende Gitarrist, Komponist und Produzent Heitor Pereira entpuppte sich bei der Umsetzung ihrer Ideen als kongenialer Partner und erfand wunderbare, dezent wirkungsvolle Arrangements für die zwischen heiterer Lebensfreude, glühender Leidenschaftlichkeit und mitunter schmerzlicher Melancholie changierenden Songperlen. Es ist ein abwechslungsreiches, farbenfrohes Album geworden, das viel vom Originalflair der exotischen Entstehungsorte mittransportiert und die expressive Sangeskunst von Melody Gardot in eine neue Dimension katapultiert. Dass ihr die verführerisch sinnliche Selbstinszenierung auf dem CD-Cover in einem Artikel die –  wohlwollend gemeinte – Titulierung „Das verruchte Girl from Ipanema“ einbrachte, nimmt Mann mit Schmunzeln zur Kenntnis  und tut dem Hörvergnügen keinerlei Abbruch.
(Decca/Vertrieb: Universal)