Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 17. Mär 2014 · CD-Tipp

Sarah Buechi: Flying Letters

Sie stammt aus einem hochmusikalischen, klassisch orientierten Elternhaus, wo sie schon früh mit Gesang, Klavier und Geige in Kontakt kam, konnte sich als Jugendliche für Punk und Pop/Rock jenseits der Hitparadentauglichkeit begeistern, studierte bei Lauren Newton und Susanne Abbuehl Jazzgesang, machte sich eineinhalb Jahre lang im legendären Karnataka College of Percussion beim Perkussionisten T.A.S. Mani und der Sängerin R.A. Ramamani mit der indischen Tradition vertraut, entdeckte beim New Yorker Saxophonisten Steve Coleman die Geheimnisse einer Art rhythmischer Polyphonie, deren Ursprünge sie dann im Verlauf eines längeren Aufenthalts in Ghana weiter erforschte, intensivierte ihre Technik bei Sheila Jordan und Jay Clayton in New York oder ließ sich von Médéric Collignon in Paris überraschen.

Die im ländlichen Glarus aufgewachsene, 32-jährige Sängerin Sarah Buechi, die einige Jahre in Dublin Musik unterrichtet hat und nun in London lebt, war und ist viel unterwegs und hat die unterschiedlichsten harmonischen, melodischen und rhythmischen Konzepte jenseits massenkommerzieller Verwertungsabsichten aufgesogen wie ein Schwamm. All dieses Wissen konnte sie so weit verinnerlichen, dass sie es nicht mehr als Stückwerk reproduzieren muss, sondern daraus ihren ganz persönlichen, höchst eigenwilligen Stil entwickeln konnte, in dem die einzelnen Einflüsse kaum mehr zu erkennen sind. Hört man die neun Eigenkompositionen auf „Flying Letters“, denkt man weder an mikrotonale Intervalle, noch an komplexe Skalen oder an komplizierte Metren und polyrhythmische Konzepte, sondern man freut sich ungemein, dass es da endlich wieder einmal eine Sängerin gibt, die es jenseits aller üblichen Songbooks oder traditionellen Bezüge ausgesprochen bunt treibt, die ohne Netz und doppelten Boden an Grenzen geht, dorthin, wo es mitunter auch weh tut oder vielleicht im landläufigen Sinne schon nicht mehr „schön“ ist. Pianist Stefan Aeby, Kontrabassist André Pousaz und Drummer Lionel Friedli sind Sarah Buechi zuverlässige Reisebegleiter auf dieser außergewöhnlichen musikalischen Expedition, die in vielleicht nicht für jedermann zugängliches Terrain führt, wo aber den aufgeklärten Musikfan noch ein echtes Abenteuer erwartet.
(Intakt Records)