Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 03. Mär 2014 · CD-Tipp

Simin Tander: Where Water Travels Home

„Sie verbindet die leidenschaftliche Kreativität von Meredith Monk mit der jazzigen Intelligenz von Gretchen Parlato“ – die renommierte amerikanische Jazz-Webseite „All About Jazz“ liegt mit dieser Beschreibung der deutsch-afghanischen Sängerin Simin Tander sicher richtig. Aber dieses Phänomen dürfte damit noch nicht ausreichend beschrieben sein, denn mit ihrer zweiten CD durchwandert die stimmgewaltige Schönheit ein weites Spektrum zwischen paschtunischen Traditionals und experimentierfreudigem Avantgarde-Jazz.

Sie lernte die Sprache ihre Vaters, eines afghanischen Journalisten und Poeten, den sie im Alter von vier Jahren verlor, erst für vier Lieder auf dieser Platte, mit der sie sich also auch auf eine Spurensuche nach ihren Wurzeln begibt. Die englischen Texte hat sie großteils gemeinsam mit ihrer Schwester, der Schauspielerin Mina Tander, geschrieben, zwei Stücke singt sie in einer selbsterfundenen Phantasiesprache, und mit einer grandiosen Version von Jacques Brels „La chanson des vieux amants“ stellt Simin Tander eindrucksvoll unter Beweis, dass sie sich auch als Chansonnette hervorragend machen würde. Tander verfügt über ein breites Spektrum an Gesangstechniken, verblüfft aber vor allem durch ihre außergewöhnliche Wandlungsfähigkeit und Ausdrucksstärke, mit der sie jegliches Gefühl hautnah zu transportieren vermag. So wird „Where Water Travels Home“ zu einem unter emotionaler Hochspannung stehenden Roadmovie, das oft gerade dann besonders intensiv wird, wenn Simin Tander nur noch haucht, flüstert oder wispert, wenn ihre Stimme – höchst wirkungsvoll – beinahe bricht. Mit Jeroen van Vliet an Piano und Electronics, Cord Heineking am Kontrabass und Etienne Nillesen an den Drums hat sie grandiose Klangmaler zur Seite, deren höchst phantasievolle Sounds die jeweilige Atmosphäre der einzelnen Songs nochmals steigern und verdichten. Eine echte Entdeckung, zumal Simin Tander neben aller Gefühlstiefe mitunter auch durchaus den Schalk im Nacken hat!
(jazzhaus records)