Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 08. Apr 2013 · CD-Tipp

Tomasz Stanko New York Quartet: Wislawa

Der mittlerweile 70-jährige polnische Trompeter und ECM-Urgestein Tomasz Stanko pendelt seit fünf Jahren zwischen Warschau und New York hin und her und hat sich am Big Apple mittlerweile ein grandioses Quartett zugelegt.

Mit Bassist Thomas Morgan und Drummer Gerald Cleaver konnte er eines der einfallsreichsten und am besten aufeinander eingespielten Rhythmusgespanne der Gegenwart gewinnen, und der kubanische Pianist David Virelles zählt mit seinem im Spannungsfeld zwischen Monk, Bartók und afrokubanischer Musik angesiedelten Spiel zu den interessantesten neuen Tastenartisten. Stanko hat die Doppel-CD der letztes Jahr verstorbenen polnischen Lyrikerin und Literatur-Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska gewidmet – eine Lesung der hochbetagten Dame, 2009 in der Krakauer Oper, hatte er auf der Trompete begleitet und kommentiert. Die tiefgründigen, melancholischen, oftmals auch düsteren Balladen, auf denen ein beträchtlicher Teil von Stankos Ruhm basiert, eignen sich natürlich ideal für solch eine Hommage. Sein beseelter, luftig gespielter Trompetenton schlägt zwar nur noch selten in jene aggressiv-zupackenden Free-Attacken um, die Stanko-Kenner früher besonders an ihm schätzten, aber wenn das passiert, ist das Ereignis umso eindrucksvoller. Bei diesen Eruptionen werden enorme Energien freigesetzt und das musikalische Geschehen entwickelt einen mitreißenden Drive, der in einem wunderbaren Kontrast zu den lyrischen Stücken steht. Das free-boppige „Assassins“ ist in dieser Hinsicht eine der besten Kompositionen der letzten Jahre aus der Feder Tomasz Stankos.

(ECM/Vertrieb: www.lotusrecords.at)