Neu in den Kinos „Here" (Foto: DCM)
Silvia Thurner · 29. Mär 2014 ·

Die Liebe bedarf keiner Erwiderung – „Alcin@“ am Vorarlberger Landestheater hinterließ zwiespältige Gefühle

„Alcina“, alias „Alcin@“ feierte als Koproduktion des Landestheaters mit dem Landeskonservatorium und der Band Naked Lunch im Kornmarkt in Bregenz Premiere. Händels gleichnamige Oper diente als Vorlage für eine Musik- und Schauspielcollage, die die Vergangenheit mit der Gegenwart in realen und fiktiven (Gefühls)Welten zueinander in Beziehung bringen sollte. Die aktualisierte Lesart des Opernstoffes gelang dem Autor und Regisseur Bernd Liepold-Mosser, doch der Austausch und die Reibung der barocken Musik mit der Musik von Naked Lunch hinterließ den Eindruck eines eher unverbindlichen Nebeneinanders.

Die Zauberinsel und Empfindungswelt der Alcina, die alle um sich herum für ihre Zwecke und Liebesdienste benutzt hatte, bis sie sich selbst verliebte und ihre schlagkräftige Macht dadurch nicht mehr abrufbar war, bildete das Zentrum der Geschichte. Aus der Oper von Georg Friedrich Händel wählte der musikalische Leiter Benjamin Lack neben der Ouvertüre zehn Arien aus, um die herum die Beziehungen zwischen Alcina, Ruggiero, Bradamante, Morgana und Oberto entwickelt wurden. Nadja Nigg, Lea Müller, Serafina Sigl, Julia Großsteiner und Laura Mildner, alle sind Studentinnen am Landeskonservatorium, verkörperten die Hauptprotagonisten. Sie schöpften ihre individuellen Stärken gut aus und kehrten mit ihren bedachten Interpretationen die Affektgehalte der Arien an die Oberfläche. Hervorragend unterstützt wurden sie vom Barockorchester des Landeskonservatoriums, das unter der Leitung von Benjamin Lack die musikalischen Bögen mit starken Akzentuierungen, einem guten Fundament sowie kunstvollen Verzierungen stilsicher und klar ausdeutete.

Textebenen und Videoprojektionen


Als Spiegelbilder und Avatare, quasi Stellvertreter echter Personen, agierten die Schauspieler auf der Bühne. Tamara Stern (Alcina), Katrin Hauptmann (Bradamante), Alexandra Maria Nutz (Morgana), Sebastian M. Winkler (Oronte), Maximilian Laprell (Ruggiero) und Andreas Jähnert (Melisso) spielten ihre vielschichtigen Rollen mit einer überzeugenden Bühnenpräsenz.

Einige Highlights setzten sie mit stilisiert überlagerten Textpassagen. Sie trieben die Handlung weiter und verdeutlichten die verschiedenen fiktiven und realen Welten und Gegenwelten. Genau in diesen Passagen kam die Ausgangsidee von Bernd Liepold-Mosser, der das Geschehen um ‚Lug und Trug’ im Cyberspace angesiedelt hatte, gut zum Ausdruck. In einigen Abschnitten rezitierten die Protagonisten auch den schwerfälligen Schreibstil von Wikipedia. Diese Informationen wirkten unnahbar und sie erinnerten, so plakativ dargestellt, auch an ein Schülertheater. Humorvoll wurden daraus auch kritische Anspielungen an die Oberfläche kristallisiert.

Gut gelungen war die Inszenierung der Handlung. Die Videoprojektionen von Philip Kandler begrenzten den Raum, sie schufen Weite und brachten Bewegung auf die Bühne.

Anfangs stark, dann sentimental


Die Band Naked Lunch übernahm mit acht Beiträgen einen wesentlichen Teil der Interpretation. Vor allem die ersten Nummern überzeugten mit einer stringenten musikalischen Kraft. Die Deutung der Emotionen zwischen den Verliebten und Verstoßenen, Verkannten und Getäuschten kam gut zur Geltung.

Alcina war von Beginn an eine gebrochene Frau, die zuerst meinte, die Liebe des Ruggiero erzwingen zu können und dann einsehen musste, dass sich Gefühle nicht verordnen lassen. Ihre Verzweiflung über den Verlust ihrer Attraktivität und auch Autorität war nachvollziehbar. Besonders in diesem Abschnitt driftete die Musik von Naked Lunch jedoch allzu sehr in sentimentale Songs ab.

Sie brauchen einander nicht


Ein Vorhaben von Bernd Liepold-Mosser war es, die beiden musikalischen Genres - Moderne Musik der Gegenwart und barocke Musik des 17. Jahrhunderts - auf unterschiedlichen Ebenen miteinander kommunizieren zu lassen. Dies gelang nur bedingt. Die mit barocken Kostümen und Perücken agierenden Sängerinnen wurden zuerst, wie Marionetten gestikulierend, am Bühnenrand positioniert und hinterließen auch während des gesamten Spiels eher den Eindruck, irgendwie deplaziert zu sein. Zwar gab es einige spannende Übergänge, aber trotzdem entstanden nur wenige verbindliche Querbezüge, die glaubhaft machten, dass die barocken Figuren die in der Gegenwart agierenden Personen verdoppeln und die Musiken von Händel und die von Naked Lunch in irgendeiner Form korrespondieren. Es mag sein, dass mit diesem Projekt junge oder neue Publikumsschichten ins Theater gelockt werden, künstlerisch betrachtet, bildeten die hybriden Ausdrucksgehalte jedoch kein überzeugendes Ganzes.

Bernd Liepold-Mosser und Naked Lunch schufen ein musikalisches Theater, das auch ohne Händel und die barocken Gegenbilder gut auskommt. Dementsprechend wirkten die Einsätze des „barocken Quintetts“ und auch die Originalmusik wenig stichhaltig in den Gesamtkontext eingebettet.

„Versöhnung“ feierten alle zusammen mit einem hymnischen Schlusslied, bei dem auch das Publikum zum Mitklatschen und -singen animiert wurde. Da fehlten nur noch geschwenkte Lichtlein.

 

Weitere Aufführungen
2.4., 8.4., 12.4., 2.5., 15.5., 18.5.2014
Jeweils 19:30 Uhr, Vorarlberger Landestheater, Großes Haus