Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 04. Okt 2014 ·

Ein „mezzotragisches“, neues Konzertformat zum Jubiläum – „Sonus Brass“ präsentierte sich musikalisch souverän, beherzt und draufgängerisch

Sein 20-jähriges Bestandsjubiläum feiert das „Ensemble Sonus Brass“ unter anderem mit der Premiere eines neuen Konzertformats. Vor allem mit Musiktheatern wie „Die Blecharbeiter“ oder „Rocky Roccoco“ hat sich das Blechbläserquintett international einen Namen gemacht. So ist die Idee für ein maßgeschneidertes, inszeniertes Abendprogramm entstanden, das im Theater Kosmos unter dem Motto „mezzotragisch“ erstmals präsentiert wurde. Die gut durchdachte Konzertdramaturgie leuchtete musikalisch mit durchwegs zeitgenössischen Werken die Themenkreise Streit und Versöhnung zwischen Muße und Übermut sowie Spannung und Konfrontation aus. Die Leichtigkeit, mit der Stefan Dünser, Attila Krako, Andreas Schuchter, Wolfgang Bilgeri und Harald Schele die Musik interpretierten und noch dazu nach einer Choreografie von Dan Tanson und Ela Baumann ausdeuteten, bescherte den Zuschauern im voll besetzten Theater Kosmos einen eindrücklichen Abend.

„Mezzotragisch“ lautete das Motto der mit Spannung erwarteten Performance. Der inhaltlichen Leitlinie folgend, haben die Musiker Kompositionen mit einer großen emotionalen Bandbreite zusammengestellt. Musikalisch hat das „Sonus Brass Ensemble“ ein Top-Niveau erreicht, das im Hinblick auf die Klangkultur und Spieltechnik international keine Vergleiche zu scheuen braucht. Das wurde bereits mit der Ouvertüre „Die Macht des Schicksals“ von Giuseppe Verdi deutlich.

Ausgelassene Stimmung


Noch dazu verfügen alle fünf Musiker über eine starke Bühnenpräsenz mit jeweils individuellen Ausdrucksqualitäten, die sich hervorragend ergänzen. Weil es ihnen ein Anliegen ist, die musikalischen Darbietungen auch für das Auge zu interpretieren, erarbeiteten sie mit den Regisseuren Dan Tanson und Ela Baumann eine Choreografie. So brachten sie Bewegung auf die Bühne und stellten zwischenmenschliche Begegnungen und innermusikalische Zusammenhänge optisch dar. Die emotionale Spannung steigerte sich ausgehend von Werner Pirchners „Die einsame Seele“, „Almweiß und Edelrausch“ sowie „Die milde Jagd“ und fand mit John Cheethams „Brass Menagerie“ einen ersten Höhepunkt. Viele Passagen musizierten die Ensemblemusiker auswendig und mit unglaublicher Präzision, obwohl sie oft keinen Sichtkontakt zueinander hatten.

Romantisch verweilend führte die musikalische Reise auch in die Volksliedbearbeitungen „Luag, luag, wia d’Sunna pfüati seyt“ und „Wenn i vom Bergle abiluag“. Mit dem komödiantischen Galopp von Dimitri Kabalevsky kam Action auf die Bühne und das Publikum ging begeistert mit. So setzten die Musiker ihr komödiantisches Talent in Szene, für das sie weithin bekannt und beliebt sind. Sympathisch war, dass der Klamauk nie oberflächlich in den Vordergrund trat, sondern gut nachvollziehbar auch dem musikalischen Gehalt innewohnte.

Verdichtung und Konfrontation


Im zweiten Konzertteil entwickelte sich aus der Heiterkeit, die die Werke von Vladimir Cosma und Dmitri Schostakowitsch verströmte, allmählich eine ambivalente Erregtheit. Diese kristallisierte sich zuerst in Thomas Stevens „Igors Dance“ und vor allem im „Firedance“ von Antony DiLorenzo heraus und erreichte im Werk „Das große Gemetzel“ den energetischen Zielpunkt. Dieses Werk schrieb Johannes Berauer im Auftrag des „Sonus Brass Ensembles“ speziell für dieses Programm. Reminiszenzen an die Kraft der Blechblasinstrumente und ihre traditionelle Rolle in Paraden und kriegerischen Auseinandersetzungen bis hin zum Zapfenstreich waren in diesem Werk zu hören. Jeder der fünf ‚Protagonisten’ war dabei voll im Einsatz und ganz auf sich gestellt, denn die Choreografie verlangte Bewegungs- und Marschfiguren bis zur äußersten Belastbarkeit, so dass die Bühne teilweise fast zu eng erschien.

Danach fügten die Musiker in sich gekehrte, reflektierende Werke an, unter anderem „Agit“ von Murat Üstün, und endeten mit dem „Song of Grief“ aus den armenischen Szenen von Alexander Arutiunian. Der nachdenkliche Schluss wirkte im Hinblick auf den Konzertverlauf überraschend, eröffnete aber Freiraum für eine eigene Sicht auf das Werkganze.

Kein Mittel zum Zweck


Diese Form eines inszenierten Konzertes, noch dazu mit so viel Musik ausdeutender Bewegung, Gestik und Mimik der Musiker, ist ein Novum im traditionellen Konzertbetrieb. Für mich stellte sich anfangs die Frage, ob eine zusätzliche, optische Rezeptionsebene nicht allein ein Mittel zur Selbstinszenierung der Musiker darstelle und die Kompositionen in eine lediglich dienende Rolle gedrängt würden. Doch die herausragende Qualität der einzelnen Werkdeutungen sowie das Ausdrucksniveau jedes einzelnen Ensemblemitglieds wirkten überzeugend. „Sonus Brass“ ist einzigartig, darüber waren sich beim jubelnden Applaus nach der Vorstellung wohl alle einig.