Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 12. Feb 2015 · Film

50 Shades of Grey

Angekündigte Skandale finden selten statt. Dass "eines der Kinoereignisse des Jahres" aber derart müde ausfällt, überrascht doch. "50 Shades" ist die verkorkste Lovestory zweier recht unsicher wirkender junger Menschen, bei der statt Sado-Maso-Spielchen ein junger Milliardär mit romantischen Hubschrauberflügen und Waldspaziergängen seine Freundin "gefügig" machen will.

Dieser Witz ist bekannt: Ein Drehbuchautor wacht jede Nacht mit einer genialen Idee für eine Geschichte auf. Des Morgens hat er sie aber jedes Mal wieder vergessen. Also legt er sich eines Abends Bleistift und Zettel zum Bett, um sich seine Ideen aufzuschreiben. Als er am nächsten Morgen aufwacht, steht auf dem Zettel: Boy loves girl. Viel mehr als eine stotternde Liebesgeschichte bietet auch die Verfilmung des umstrittenen Romans „50 Shades of Grey“ nicht. Ein verkorkster junger Milliardär (Jamie Dornan), der sich in eine Studentin (Dakota Johnson) mit Blumenkleid und VW-Käfer verliebt hat, das aber emotional nicht zulassen will – oder kann. Stattdessen nagt Christian Grey an einer Art sexuellem Initiationstrauma herum, weil er als Junge von einer älteren Frau im BDSM-Stil auf eine eigene Sexualität geprägt wurde. Darüber wird im Film nicht gesprochen, nur ein paar Narben am Oberkörper sollen davon erzählen, dass dieser einzelgängerische Mann zur Zweierbeziehung nicht fähig ist. Wie dieser Film sich bemüht, das zu zeigen, ist aber wenig überzeugend. Wann immer Grey seine fein säuberlich sortierte, rot ausgekleidete SM-Kammer aufsperrt, oder auch seine Vertragswerke auspackt, in denen er sich den vollständigen Besitz auf Körper und Lebensstil seiner Freundin sichern will, streut die britische Regisseurin Sam Taylor-Johnson, die aus der bildenden Kunst kommt, bereits den Zweifel ein. Anastasia gelingt es trotz der ihr angedichteten Unsicherheiten ganz klar, ihren eigenen Willen zu behaupten, und letztlich stellt sich das Gefühl ein, dass diese Geschichte weder eine submissive Frau noch einen sadistischen oder dominanten – wie Grey einmal differenziert – Mann als Protagonisten hat. Vielmehr entwickelt sich „50 Shades“ zur Mär eines traurigen, sozial verkümmerten Geschäftsmannes und einer Studentin, die diesem deutlich überlegen ist. Beide Figuren wirken geradezu betulich. Jamie Dornan vermag die - je nachdem - innere Passion oder Zerrüttung nicht zu übersetzen. Die wesentlich präsentere Dakota Johnson gibt mit ihrem unbekümmerten Spiel keinen Anlass zu glauben, dass die Wahl Greys tatsächlich auf sie fiel.

"Cleanes" Erlebnis


Erstaunlich ist, dass „50 Shades“ nicht einmal zu einer Dramaturgie findet, wie sie das griechische Drama gelehrt hat und wie sie in Hollywood zur Erfolgsformel erhoben wurde. Die Story gleicht einem zweistündigen Patt, was auch damit zu tun hat, dass dieser Roman-Dreiteiler wie zuvor „Herr der Ringe“ oder „Die Tribute von Panem“ durch Sequels in eine verlängerte Auswertung gehen soll. Das Ergebnis: „50 Shades“ als ein einziger Cliffhanger. Dass Anastasia ihre neue Bekanntschaft einmal als „clean“ charakterisiert, steht symptomatisch für die Inszenierung des gesamten Filmes. Das Production Design ist erlesen, die Interieurs exklusiv, das Erscheinen der beiden aufgeräumt, die Kamera bemüht, alles stilvoll in Szene zu setzen – als ob es darum ginge, dem Publikum zu versichern, dass es sich hier um kein dirty movie handelt. Wäre interessant gewesen, wie Catherine Breillat („Romance“) oder Mary Harron den Stoff verfilmt hätten. Harrons gewitzte Art, die Saturiertheit ihres mörderischen Protagonisten in „American Psycho“ zu kommentieren, fehlt hier so wie jeder Anflug von Humor. Was bleibt, ist der matte Versuch, einen SM-Roman „für alle“ zu inszenieren, was ökonomisch gesehen angesichts von 70 bis 100 Millionen verkaufter Bücher verständlich sein mag. Und der Versuch Taylor-Johnsons bzw. der Drehbuchautorin Kelly Marcel, Grey seine spezifische Neigung nicht ausleben zu lassen, sondern ihn zu kurieren. Man ist auf gutem Weg.