Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 20. Dez 2012 · Film

Aktuell in den Filmclubs (21.12. - 27.12. 2012)

Ulrich Seidl wirft in „Paradies: Liebe“ einen gewohnt schonungslosen Blick auf menschliche Sehnsüchte, Einsamkeit und Ausbeutung. Gute Stimmung verbreitet dagegen „Die Kunst sich die Schuhe zu binden“, in dem Lena Koppel sehr frei von der Entstehung des schwedischen Behinderten-Theaters „Glada Hudik“ erzählt. Beide Filmen werden vom TaSKino Feldkirch im Feldkircher Kino Rio gezeigt.

Paradies: Liebe: Berühmt sind österreichische Filmemacher für den bösen Blick auf die Psyche ihrer Landsleute. Am unerbittlichsten und bissigsten ist dabei Ulrich Seidl, der vom Dokumentarfilm kommt und mit insistierendem, teilweise auch die Grenze zum Voyeurismus überschreitenden Blick unbarmherzig menschliche Gemeinheiten und Einsamkeit aufdeckt. Weil Seidls Projekt eines Films über die drei göttlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung immer umfangreichere Formen annahm, wurden daraus drei Filme, die nur ganz am Rande über die familiäre Beziehung der Protagonisten verknüpft sind.
Im Mittelpunkt des ersten Teilsdieses Triptychons steht eine Wienerin mittleren Alters, die hofft, dass sie auf einem Keniaurlaub die Liebe findet, die es in Europa für Menschen in diesem Alter nicht mehr zu geben scheint. Doch unerfüllt bleiben ihre Sehnsüchte, denn für die jungen afrikanischen Strandboys gilt die Gleichung Sex gegen Geld, Gefühle und Nähe werden aber höchstens vorgetäuscht.
Seidls Stil zielt nicht auf Emotionalisierung des Zuschauers und Identifikation mit der von Margarethe Tiesel großartig gespielten Protagonistin ab. Er bleibt kühler Beobachter, verzichtet auf Filmmusik sowie Psychologisierung und hält den Zuschauer auch durch die langen statischen Kameraeinstellungen (Kamera: Ed Lachman) auf Distanz.
Im quasidokumentarischen Gestus fängt der 60-jährige Wiener Regisseur das Geschehen teilweise fast in Echtzeit ein. Quälend lang kann das werden, doch um in die Tiefe zu dringen und die Beziehungsmechanismen, Sehnsüchte und Enttäuschungen, aber auch das sich einem einfachen Schwarzweiß-Schema entziehende Netz der Ausbeutung bewusst zu machen, braucht „Paradies: Liebe“ diese Zeit. - Ein schöner Film ist dies freilich nicht, aber einer, der in seiner formalen Konsequenz zu provozieren und zu irritieren versteht, sodass er sich im Kopf des Betrachters festhakt.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Fr 21.12., 22 Uhr


Die Kunst sich die Schuhe zu binden: Lena Koppel erzählt in ihrem Spielfilm frei die  Entstehungsgeschichte des 1996 gegründeten schwedischen Behinderten-Theaters „Glada Hudik“. Im Mittelpunkt der Handlung steht der Schauspieler Alex, der mangels anderer Angebote eine Stelle als Betreuer einer Gruppe von Menschen mit geistiger Behinderung annimmt. Wenig hält er vom Pochen auf Ordnung, Regeln und Strukturen sowie vom faden Alltagstrott, der den Betreuten aufgezwungen wird. Bald fordert er, dass auch Spaß dabei sein muss. Die Teilnahme an einer Talente-Show endet zwar im Desaster und auch die Eltern der Mitglieder seiner Gruppe protestieren gegen Alex´ unorthodoxen Methoden, doch Alex gibt deshalb noch lange nicht auf.
Filmisch gibt dieses Feelgood-Movie wenig her, lässt Ecken und Kanten vermissen und ist reichlich unbedarft und harmlos inszeniert. Vorhersehbar entwickelt sich die Handlung, die ganz im Stil amerikanischer Erfolgsgeschichten angelegt ist, und auch der Protagonist Alex bleibt recht blass und gewinnt kaum Konturen. Die Botschaft, dass jeder eine Begabung hat, ist hier eindeutig wichtiger als mitreißendes Erzählen. Was haften bleibt, sind freilich die Darsteller von Alex´ Truppe, bei denen nicht die Behinderung in den Mittelpunkt gerückt wird, sondern die genug Raum bekommen, um ihre Figuren als eigenständige Charaktere mit individuellen Bedürfnissen anzulegen.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Sa 22.12. - Do 27.12.