Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Gunnar Landsgesell · 04. Jul 2013 · Film

Confession of a Child of the Century

Ziemlich campy präsentiert sich Sylvie Verheydes Historienverfilmung eines Romantikers, der den Glauben an die Liebe verloren hat. Das riskante Unterfangen, Rock-Dandy Pete Doherty für die Hauptrolle zu besetzen, entwickelt durchaus seine Reize.

Wie viel Enttäuschung braucht es, um den Glauben an die Liebe zu verlieren? So könnte die etwas unernste Leitfrage für Sylvie Verheydes historische Romanverfilmung von 1836, „Confession of a Child of the Century“, lauten. Die Untreue seiner Geliebten treibt darin einen jungen Aristokraten (Pete Doherty) in schwere Lebens- und Liebeszweifel – „Love doesn’t exist“ – und eine Phase von Ausschweifungen, bis er eine ältere Witwe am Land (Charlotte Gainsbourg) kennen lernt und deren Gefühle schließlich erobert. Nach einigermaßen beschwingten Zeiten mit Sparziergängen im Schnee und Nächten zwischen Eros und Poesie setzt nun Doherty dieser Beziehung ein Ende. Mit den Worten „Rest in peace“ lässt er Gainsbourg vorerst etwas unfein zurück.

Romantik und Verfall

Auch wenn über die schauspielerische Leistung des Rock-Enfant-terrible Pete Doherty gespottet wird, so lässt der Frontman der britischen Rockband Babyshambles (und zuvor der Libertines) die Idee seiner Besetzung durchaus plausibel erscheinen. Doherty mit seinem teigigen Gesicht und seine durch harten Drogenkonsum wächsern gewordene Haut verkörpert jenen Verfall, dem seine Figur auf unheilvolle Weise ausgeliefert zu sein scheint. Diese Wirkung teilt er mit seiner Filmpartnerin Gainsburg: beide ergeben ein Paar, das einem ungesunden, destruktiven Lebenswandel und einer romantischen Todesnähe in dieser Geschichte einen ganz unverwechselbaren Ausdruck verleihen. Trotz seines beschränkten mimischen Repertoires hat Doherty mit seinen traurigen, verträumten Augen noch mehr zu erzählen als sein Freund im Film, August Diehl, der sich mit seinem rauen, scharf artikulierten Gestus wie ein Fremdkörper in „Confession“ anfühlt. Wo es um die Erschütterung von Identitäten geht, wirken deutsche Tugenden, wie Diehl sie vorführt, offensichtlich deplatziert. Andererseits will Verheydes Inszenierung auch nie zum Punkt kommen. Als Beschreibung eines emotionalen Zustandes – und zwar jenem der Verwirrung der Gefühle zwischen Aufbegehren und Hingabe – mäandert Verheydes Interpretation eines Dandy-Lebens zwei Stunden lang dahin, ohne Bilder für jene Verzweiflung zu finden, die die Akteure ganz offensichtlich erfasst hat. Das mag an der verhaltenen Tonart liegen, in der die Regisseurin diese Geschichte verfasst hat, aber auch an der grundsätzlichen Ausrichtung ihres Projekts: gepflegter Camp mit Zylinder, Stock und Gehrock, der auch beim Durchlaufen unterschiedlichster Stadien von Empfindsamkeit immer eine gewisse Haltung voraussetzt. Mit anderen Worten: Wenn Pete Doherty sich eine Pistole an den Hals hält, tut er das nicht, um sein Leben zu beenden, sondern weil er es der Theatralik des Dandys und Libertines schuldig ist.