Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 13. Dez 2012 · Film

Der Hobbit - Eine unerwartete Reise

Peter Jackson schickt nach J.R.R. Tolkiens Roman „Der kleine Hobbit“ eine Gruppe von Zwergen unter der Führung des Zauberers Gandalf auf eine Reise, um ihr verlorenes Reich zurückzuerobern. Die Geschichte ist einfach, aber Jacksons Kunst abwechslungsreich zu erzählen, die Vielfalt der Figuren und Szenen, die Liebe zum Detail und nicht zuletzt die in Kinos mit HFR-Ausstattung gestochen scharfen Bilder sorgen für Kino im Übermaß, sodass die fast drei Stunden wie im Flug vergehen.

Ursprünglich war geplant Tolkiens 1937 erschienenen Roman „Der kleine Hobbit“ auf zwei Filme aufzuteilen, jetzt soll auch aus diesem Prequel zu „Der Herr der Ringe“ eine Trilogie werden. Kenner und Fans des Welterfolgs werden sich in „Der Hobbit“ rasch heimisch fühlen, vertraut werden ihnen nicht nur der Schauplatz Mittelerde, sondern auch einzelne Figuren wie die Elben, Bilbo Beutlin, der Zauberer Gandalf oder Gollum sein.

Ein Zögerer wird erwachsen

Doch auch ohne diese Vorkenntnisse kann man rasch in dieser Welt versinken, in die der Hobbit Bilbo Beutlin (Martin Freeman) einführt, wenn er für seinen Neffen Frodo sein 60 Jahre zurückliegendes Abenteuer niederschreibt. Elegant und spielerisch leicht leitet Jackson die Rückblende ein, nimmt den zuvor dominierenden Off-Erzähler ganz zurück. Damals drangen in Bilbos heile Welt 13 Zwerge unter der Führung des Zauberers Gandalf (Ian McKellen) ein und forderten ihn auf, sie bei der Rückeroberung ihres Reichs zu begleiten. Ängstlich und zögerlich reagierte Bilbo zunächst darauf, schloss sich ihnen dann aber doch an. Vorauszusehen ist, dass sie auf ihrer Reise viele Gefahren überstehen müssen.
Altbekannt ist die Geschichte vom Zögerer, der erst durch Gefahren über sich selbst hinaus wächst und Teil einer Gruppe wird, in der er zunächst ein Fremdkörper ist. Dahinter steckt unübersehbar die universelle Geschichte vom Weg ins Erwachsenenalter, aber es geht auch um die Sehnsucht nach Heimat, die Bilbo verlässt, um den Zwergen dazu wieder zu verhelfen, und um den Kampf der Schwachen gegen übermächtige Gegner. Sympathien weckt Jackson mit diesem Kampf der Underdogs beim Publikum, gesehen hat man so etwas freilich schon oft.

HFR – Hyperrealistische gestochen scharfe Bilder

Was freilich neu ist und worin die Stärken des Films liegen, sind die technische Perfektion und der Reichtum der Episoden. So gestochen scharfe 3D-Bilder, wie sie die Aufnahme und Projektion mit 48 Bildern pro Sekunde liefert, hat man im Kino noch nie gesehen. Unübersehbar ist der Unterschied der Vorführung im HFR-Format (Higher Frame Rate), wie sie das Kino Lustenau oder das IMAX im Cineplexx Hohenems bietet, von einer normalen Projektion. Hyperrealistisch sieht man jedes einzelne der langen grauen Barthaare von Gandalf, die Speisen in Beutlins Hütte meint man greifen zu können, Regen scheint in den Kinosaal zu tropfen. Ein ganz anderes, fast haptisches Kinoerlebnis beschert diese Projektion.

Konventionelle Dramaturgie, spektakuläre Bilder und Figuren

Dazu kommt Jacksons zwar konventionelle, aber sichere Erzählweise, sein Gespür für Rhythmus und Wechsel zwischen actiongeladenen und ruhigeren Szenen und Howard Shores großer, die Handlung und die Atmosphäre geschickt unterstützender Soundtrack.
Viel Zeit lässt sich Jackson für die Exposition, in der allerdings die einzelnen Zwerge, obwohl sich die Handlung ganz auf sie und Beutlin konzentriert, dennoch nur wenig Profil gewinnen. Plastischer gezeichnet werden nur Beutlin, der Zauberer Gandalf und der Zwergenkönig Thorin Eichenschild (Richard Armitage), die anderen bleiben weitgehend reduziert auf Teile des Kollektivs.
Wenn die Gruppe dann nach dieser ersten Stunde aufbricht, nimmt „Der Hobbit“ richtig Fahrt auf und es folgen bald spektakuläre Kampfszenen. Großen Einfallsreichtum und Liebe zum Detail beweist Jackson hier, wenn die Zwerge einmal in die Hände von Trollen fallen, bald sich ein Kampf von Felsriesen entwickelt, sich in 3D immer neue Abgründe auftun und man gleichzeitig von Felsbrocken bombardiert wird, ihnen immer wieder die Orks auf ihren wolfartigen Reittieren nachsetzen oder ein Zauberer mit einem von Kaninchen gezogenen Schlitten den Gegnern in wilder Flucht entkommt. Fantastisch anzusehen sind auch die wechselnden Landschaften vom lieblichen Auenland über das märchenhafte Reich der Elben und weite Highlands bis hin zu dunklen unterirdischen Welten.

Fortsetzung folgt!

Kein kühler Blockbuster, sondern sichtlich mit Liebe gemachtes Kino ist das, bietet nicht nur viel Pathos, sondern auch zahlreiche unvergessliche Momente, doch um restlos davon begeistert zu sein, muss man wohl schon ein Faible für Tolkien und seine Fantasy-Welt haben, denn jenseits der eindrücklichen Schauwerte bleiben Figuren und Handlung doch etwas dürftig. Unbefriedigend ist letztlich auch das Cliffhanger-Ende. Nichts ist hier abgeschlossen, ein Stück des Weges hat man eben zurückgelegt, aber die großen Kämpfe werden erst noch kommen, doch auf diese Fortsetzung muss man ein Jahr warten.