Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 13. Mär 2014 · Film

Der stille Berg

Ein selten gezeigtes Kapitel im heimischen Kino, der Erste Weltkrieg, gerät in "Der stille Berg" zu einer nebulosen Angelegenheit. Auch die eingezogene Liebesgeschichte hilft nicht, das Geschehen an der italienisch-österreichischen Front zu ordnen. So kämpft man sich durch die versprengten Bilder dieses Films.

Wie der Krieg eine Hochzeitsgesellschaft in zwei gegnerische Hälften zerreißt, davon will „Der stille Berg" erzählen. Eine Südtiroler Hotelierstochter (Emily Cox) und ein junger Mann aus Turin (Giulio Cristini) heiraten im Jahr 1915. Auch deren beide Geschwister (William Moseley als anti-italienischer Scharfmacher) verlieben sich auf diesem Fest, womit die Nationenspaltung dramaturgisch quasi zweifach durchgespielt werden kann. Die opulenten Bilder des Festes werden rasch durch die Kriegsbotschaft zersprengt, die choreografierten Arrangements der Gäste markieren damit rein visuell auch schon die letzte Geometrie einer gesellschaftlichen Ordnung. Danach bricht der Krieg aus, und mit ihm geraten die Bilder des Films gehörig durcheinander. Mit einer möglichen Unordnung des Dolomitenkrieges hat das aber nur bedingt zu tun, Truppenformationen und Grabenstellungen, das Schema von Angriff und Verteidigung, die Hierarchien der Armee verlangen eigentlich nach gewissen Linien, nach Blickachsen und einer Sortierung der Bilder. Statt dessen lösen sich Handlungsstränge auf nebulöse Weise auf. Es wird geschossen und geschrien, Geschütze werden Geröllhalden hochgezogen, dazwischen Nebelschwaden und Dolomitenspitzen eingezogen und immer wieder auch an die Melodramatik der getrennten Paare erinnert. Wer hier gegen wen das Gewehr erhebt, wo die abgeschossene Kugel aus einer Einstellung eigentlich landet, und was einem das müde Soldatengesicht in Großaufnahme zwischendurch sagen soll, das müssten einem schon die Betroffenen selbst erzählen. Weil das nicht passiert, ist man dem wüsten Kriegsgeschehen einigermaßen hilflos ausgeliefert.

Schrillste Töne

Dabei ist „Der stille Berg“ ein wunderbarer und böser Titel. Er verspricht eine Poesie der Agonie, eine Ruhe im Lärm des Ersten Weltkrieges. Regisseur Ernst Gossner hätte mit seinem Drehbuchautor Clemens Aufderklamm ("Mitten im Achten") ein Kriegsgeschehen aufrollen können, das auch auf alternative Bilder zurückgreift. Wenn Soldaten wochen- oder monatelang auf ihren Posten eingeschneit sind, nicht durch den Feind, sondern durch die Kälte oder den Hunger getötet werden. Wenn es unheimlich ruhig wird in den Alpen und sich zwei Gesellschaften gegenüberstehen, die eben noch Hochzeiten und anderes geteilt haben. Statt über Zwischentöne das langsam wuchernde Mißtrauen gegenüber den Anderen jenseits der Grenze zu beschreiben, wird diese Aufgabe der Figur des Kriegshetzers überlassen. Schrille Töne, die schon ein wenig parodistisch wirken. So wird dramatisches Geschehen bloß behauptet, ohne dass der Zuseher besonders viel davon selbst erleben kann. Schade eigentlich, denn dieses Stück Geschichte, der Erste Weltkrieg und der Kampf in den Dolomiten, produziert von Reinhold Bilgeri, war im österreichischen Kino bislang kaum vertreten.