Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 21. Okt 2012 · Film

Die Kunst sich die Schuhe zu binden

„Jeder hat eine Begabung“ ist das Motto von Lena Koppels Film, in dem frei die Entstehungsgeschichte des schwedischen Behinderten-Theaters „Glada Hudik“ erzählt wird. - Ein sympathisches, aber auch etwas einfach gestricktes und erzähltes Feelgood-Movie.

1996 rief Pär Johansson, der als Betreuer in einem Tageszentrum für geistig behinderte Menschen im schwedischen Hudiksvall arbeitete, ein Theaterprojekt ins Leben, bei dem Behinderte mit Schülern aus ortsansässigen Schulen zusammenarbeiten sollten. Die Widerstände der Angehörigen der beteiligten Schauspieler waren zunächst groß, doch da die erste Produktion ein Riesenerfolg wurde, konnte Johansson die Arbeit fortsetzen. Weitere Inszenierungen folgten, immer bekannter wurde die Theatergruppe und 2010 konnte die Truppe das Stück „Elvis“ sogar am New Yorker Broadway aufführen.

Ein Träumer auf Jobsuche

Über diese Erfolgsgeschichte informieren Inserts im Nachspann von Lena Koppels Spielfilm. Ins Zentrum stellt sie den Schauspieler Alex (Sverrir Gudnason). Er ist ein Loser wie er im Buche steht, verliert zunächst – wieder einmal – seinen Job im Theater, vergisst dann seine vierjährige Tochter abzuholen. Während er den ganzen Tag vor sich hin träumt, kann seine Freundin Lisa arbeiten und dafür sorgen, dass Geld ins Haus kommt. Kein Wunder, dass es Lisa nach vier Jahren reicht und sie Alex, auf den man sich einfach nicht verlassen kann, vor die Tür setzt.
Nolens volens nimmt ihn sein Bruder in der Kleinstadt Hudiksvall auf, wo sich Alex auf Jobsuche macht. Gerne würde er im Theaterbereich arbeiten, doch die einzige freie Stelle, die man ihm auf dem Arbeitsamt anbieten kann, ist die Betreuung einer Gruppe von Menschen mit geistiger Behinderung.

Spaß statt fade Routine

„Struktur, Ordnung und Geduld“ sind die Grundsätze, die Alex hier von der Leiterin und der Betreuerin Hanna gleich einmal eingebläut werden – Eigenschaften, mit denen er selbst wenig anfangen kann. Nichts hält er davon in Zeiten von Klettverschlüssen noch länger das Binden von Schuhen zu trainieren, das in der Gruppe schon acht Jahre lang geübt wird, auch die stupide Holzverarbeitung in der Betreuungseinrichtung „Paradies“ kann aus seiner Sicht nicht  alles sein, denn der Spaß sollte doch nicht zu kurz kommen.
Mit Unverständnis reagieren die Eltern auf die unkonventionellen Methoden, bei denen auch mal die Feuerwehr zu Hilfe geholt werden muss oder die Polizei sich einmischt. Sie drängen die Leiterin Alex zu entlassen, doch sie hält ihm den Rücken frei, gibt auch das Okay für sein Theaterprojekt. Ein Auftritt im Fernsehstudio in Stockholm für eine Talente-Show endet zwar im Desaster, doch aufgegeben wird deshalb noch lange nicht.

Botschaft steht im Vordergrund

Lena Koppel orientiert sich an den Mustern amerikanischer Erfolgsgeschichten. Rückschläge dürfen dabei nicht fehlen, am finalen Erfolg kann aber nie gezweifelt werden. Etwas blass bleibt der Träumer Alex, der durch seine Arbeit mit den Behinderten selbst auch eine Entwicklung durchmacht und lernt Verantwortung zu übernehmen. Überflüssig ist auch, dass Koppel ihn während des ganzen Films immer wieder versuchen lässt seine Freundin zurückzugewinnen und am Ende sogar eine Versöhnung andeutet.
Schematisch gezeichnet sind auch die Leiterin der Betreuungseinrichtung und die Eltern, die gegen die Pläne von Alex Widerstand leisten. Auch die Betreuerin Hanna ist allzu sehr als stereotype Gegenfigur zu Alex angelegt, doch Vanna Rosenberg gelingt es doch überzeugend die Wandlung dieser Figur, die auch der Platzhalter für den Zuschauer ist, zu vermitteln. Zeigt sie zunächst wenig Verständnis für Alex udn seine unorthodoxen Methoden und Ideen, so findet sie schließlich zunehmend Gefallen an dessen Projekt und unterstützt ihn.
Größtes Kapital des Films sind aber zweifellos die Darsteller von Alex´ Truppe, die nicht die Behinderung in den Mittelpunkt rücken, sondern ihre Figuren als eigenständige Charaktere mit individuellen Bedürfnissen anlegen. Vor allem die Öffnung einer lange wortlosen jungen Frau bleibt hier haften.
Das lässt zumindest teilweise darüber hinwegsehen, wie vorhersehbar und ohne markante Ecken und Kanten Koppel ihre Geschichte erzählt. Die Aufforderung auch Menschen mit Behinderung (mehr) Freiräume zur eigenen Entfaltung zu geben und ihnen mehr zuzutrauen kommt zwar an, doch mehr Pfiff hätte diesem doch insgesamt reichlich unbedarften und harmlosen Film sicher nicht geschadet.