Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Gunnar Landsgesell · 01. Sep 2014 · Film

Diplomatie

Die Nacht, in der Paris gerettet wurde. In einem Kammerspiel von Volker Schlöndorff findet die Stimme des Humanismus Gehör bei jenem Nazi-General, der Paris bereits zur Sprengung verkabeln ließ. Routiniert inszeniert, mit einer gewissen Lust an der Spekulation - und auf jeden Fall an das Gute im Menschen vertrauend.

Endkampf in Nazi-Deutschland, August 1944. Der Auftrag an General von Choltitz lautet, Paris zu fluten und sprengen, die heranrückenden Alliierten sollen nur noch ein Werk der Zerstörung vorfinden. Obwohl der Sprengstoff bereits an allen großen Gebäuden und Brücken angebracht ist, verweigert der preußische General schließlich den Befehl. Der schwedische Diplomat Raoul Nordling soll dabei eine Rolle gespielt haben. Wie es zur Rettung von Paris kam, bleibt den Historikern zu klären. Oder den Dramaturgen. Der französische Autor Cyril Gely hat darüber ein Theaterstück verfasst und zu einer Nacht der Entscheidung verdichtet. Volker Schlöndorff verfilmte das Kammerstück nunmehr.

Lust an Fiktionalisierung

Die Frage, was wäre wenn, ist an solch spekulativen geschichtlichen Herleitungen wohl die größte Lust. Man denke an den RAF-Film „Baader“ von Christopher Roth (2002), der im Inneren eines Autos den Oberterroristen (Frank Giering) und den damaligen Architekten des Überwachungsstaates Horst Herold auf unerhörte Weise zusammenführte. Unerhört deshalb, weil in dieser konspirativen Szene beide ein gewisses Verständnis füreinander hegen. Auch „Diplomatie“ stellt sich die kecke Frage, ob es dem schwedischen Diplomaten Nordling (André Dussollier), der zudem mit einer jüdischen Frau verheiratet war, tatsächlich gelingen konnte, mit humanistischen Argumenten Gehör zu finden. Oder war es doch der Druck des zusammenbrechenden Deutschen Reichs, der Choltitz (Niels Arestrup) wanken ließ? Schlöndorff verlässt sich bei seiner Inszenierung ganz auf die Spannung, die das Stück in komprimierten 80 Minuten zu erzeugen vermag. Dussollier spielt Nordling als ruhiger Taktiker, als Verführer mit guter Absicht. Arestrup als Choltitz ist ein angeschlagener General, an dem die Frage soldatischer Verantwortung noch einmal durchgespielt wird. Das Drehbuch wagt sich dabei durchaus auch auf prekäres Gelände. Ihre Kinder werden einmal mit dem Hakenkreuz so gezeichnet sein wie bestimmte Leute, die heute den gelben Stern tragen, redet der Diplomat dem hochrangigen Nazi-Offizier ins Gewissen. Und legt damit nahe, dass der Mann, der sich brüstet, auch im Osten jeden Befehl ausgeführt zu haben, just in diesem Moment sein Gewissen aktiviert. Damit bewegt sich die Figur Choltitz näher an einer Figur des Widerstandes als an Personen wie Stauffenberg, die vor allem Deutschland retten wollten.