Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 19. Jun 2014 · Film

Ein Brief für Dich

Ein Film wie eine Bibelstelle: Eine Schülerin, in deren Leben nicht alles rund läuft, wird vom Heiligen Geist in Form eines alten Briefeschreibers erfasst, der die frohe Botschaft der Nächstenliebe in die Welt trägt. Das wirkt.

Wenn Maggy (Aley Underwood) nach Hause kommt, kauert ihr jüngerer krebskranker Bruder neben der Tür auf dem Boden herum wie ein Basilisk im Brunnenschacht. Schwere Zeiten, die Eltern geschieden, die Mutter liegt der Schülerin mit ihrer Rede von Verantwortung in den Ohren. Dabei ist Maggy keineswegs eine Rebellin, die Schulband ist ihr einfach wichtiger als der Unterricht. Alles spricht dafür, dass hier ein Familiendrama anhebt, doch in diesem Film hat der Heilige Geist Regie geführt. Ein unbekannter Briefeschreiber (Bernie Diamond) findet Maggy als Adressatin, und auf geheimnisvolle Weise finden sich die Menschen, fügt sich die Welt zusammen. Der Vater, der einst die Familie verlassen hat, entschuldigt sich bei der Tochter, Mutter und Tochter erkennen ihre emotionalen Bedürfnisse, und dem kleinen Bruder geht es schon besser. „The Letter Writer“ darf als Erweckungserlebnis und als Film gewordene Bibelstelle verstanden werden, in dem nicht der soziale Konflikt die Ereignisse vorantreibt, sondern die Erleuchtung jeder einzelnen Figur. Die Musik der Tochter wandelt sich von Textstellen wie „Burn down the House“ schließlich zum Gospel und glättet alle negativen Emotionen. Dass die Bandsängerin Maggy ihre Stimme findet, die ihr immer peinlich war, darf folgerichtig als evangelikale Botschaft verstanden werden.

Sein filmisches Wunder hat der in die USA ausgewanderte Vorarlberger Filmemacher Christian Vuissa vor allem dem alten Briefeschreiber zu verdanken. Life is like a mirror, gibt der väterliche Freund der Schülerin mit auf ihren Lebensweg: Wer gute Menschen um sich haben will, muss gute Taten setzen. Bei derart einfachen Dramaturgien bleibt natürlich jeder Anspruch an Realismus auf der Strecke. Die Botschaft erreicht die Welt vielmehr auf nicht weltliche Weise. Man könnte solch eine Erzählmechanik als Gefühlskitsch abtun, angedacht ist aber, sie ganz einfach zu glauben. Gestalterisch fällt der Film von Vuissa, der auch für Drehbuch und Produktion verantwortlich ist, aber doch ganz konventionell aus. Mit establishing shots, die an Fernsehserien erinnern, einem berieselnden Score und Schauspielern, die ohne Nachdruck ihre Dialoge führen, ist „Ein Brief für Dich“ nicht ganz die Offenbarung, die in der Diegese stattfindet.