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Gunnar Landsgesell · 09. Apr 2015 · Film

Eine neue Freundin

Als Claire durch den frühen Tod ihre beste Freundin verliert, findet sie im Transgender-Ehemann der Verstorbenen die titelgebende "neue" Freundin. Francois Ozon macht Schluss mit Männer- und Frauenrollen und packt Genderfragen in eine Komödie, die ein wenig an der Konstruiertheit ihrer Wendungen leidet.

„Eine neue Freundin“ beginnt wie aus dem Katalog für ein gutes Leben: schöne Kindergesichter, große Häuser, tolle Autos, reiche Menschen. Sonne, schmalzige Musik und gelackte Oberflächen als ständige Begleiter einer wohlbestallten Bourgeoisie. Wieder entsteht bei Francois Ozon der Eindruck: Von der schnöden Alltagsrealität möchte sich der französische Filmemacher seine Projekte nicht stören lassen. Geradezu phobisch versucht er zu vermeiden, dass ökonomische Probleme seine Figuren von ihrer erklärten Mission abbringen: Gender- und Identitätsfragen „unverfälscht“ zu verhandeln, die deshalb – wie schon in Ozons Arbeiten zuvor – sehr artifiziell als ganz eigene Blase zwischen Sportwagen und Tennisclub aufbereitet werden. Leitthema des Films ist die Geschichte zweier Freundinnen, die der frühe Tod einer der beiden scheidet. Claire (Anaïs Demoustier) und Laura (Isild Le Besco) sind Freundinnen von Kindesbeinen an. Ozon lässt ihr Leben im Zeitraffer durchlaufen und eröffnet damit auf durchaus ungewöhnliche Weise seinen Film. Dieser fast forward bis zu Lauras Tod könnte auch die Ungeduld markieren, mit der Ozon hier vorgeht: Irritierenderweise verfliegt die Trauer Claires schon bald, als die titelgebende neue Freundin in Gestalt von Lauras Transgender-Ehemann David als Virginia (Romain Duris) der Handlung einen neuen Kurs und ihrem Leben (mit dem langweiligen PR-Profi als Ehemann) einen neuen Drive verpasst. Eine Komödie mit Ambivalenzen und einigen provokanten Setzungen nimmt ihren Lauf.

Queere Komödie

Ozon erweist sich als souveräner Erzähler auf dem Parkett von Genderfragen, insbesondere jener queeren filmischen Repräsentationen, die der Parodie näher stehen als der Krise. Auch in „Eine neue Freundin“ geht es David/Virginia-Darsteller Romain Duris unter Anleitung Ozons vor allem um die Leichtigkeit und den Zuspruch an das Leben. Als viel zu große, zu grelle und zu präsent wirkende Frau in der Shopping Mall, das sind jene Szenen, mit denen Ozon den Anspruch auf die Kommerzialität seiner Filme unterstreicht. Auch wenn die Formensprache des Films sich einige Male der dunklen Seite öffnet: als Claire David zum ersten Mal in Frauenkleidern sieht, nimmt Ozon Anleihen an Hitchcocks „Psycho“, wenn er eine irritierende Frauengestalt mit Perücke auf beunruhigende Weise als „Fremde“ in der anonymen Rückenansicht inszeniert. Ein echtes Interesse an seinen beiden zwei Protagonist/innen kann Ozon letztlich aber nicht glaubhaft vermitteln. „Eine neue Freundin“ wirkt zu konstruiert mit seinen Wendungen, in denen allerlei Überlegungen zu Gender- und sexuellen Fragen Platz finden müssen. In dieser Hinsicht konsequent ist immerhin das Ende des Films, bei dem die Brisanz des Themas zum fast erwartbaren Outcome findet. Sofern Ozon tatsächlich Angst hat, dass zu viel an „real life“ in seine Dramaturgien störend intervenieren könnte, so sehr gilt auch, dass der thematische Nachdruck seiner Geschichte ein wenig an Lebendigkeit geraubt hat.