Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 23. Mai 2013 · Film

Fast and Furious 6

Handlungs- bzw. dialogarm wäre die falsche Charakterisierung für diesen Film. Immerhin wurden 300 bis 400 Autos für "Fast and Furious 6" zu Schrott gefahren. Muskeln, Testosteron und beinharte Männerfreundschaften sind da fast nur mehr das schmückende Beiwerk. - Was wirklich fehlt, ist aber der Joystick. Weil Raser-Spiele zum Zuschauen, seien wir ehrlich, sind nur der halbe Spaß.

Vielleicht das Wesentliche des Films zuerst: ein Dodge Daytona Baujahr 1969, ein Dodge Challenger von 2010, ein Plymouth Barracuda von 1970, dazu ein Ford Escort Mark 1, ebenfalls 1970. Dann noch ein BMW M5 von 2008, er wird übrigens total demoliert. Und, nicht zu vergessen, ein Ford Mustang, 1969: ein in der Filmgeschichte verdientes Auto, das üblicherweise seinem Fahrer bereits die Selbstbeschreibung abnimmt: freiheitsliebend, draufgängerisch, etwas einzelgängerisch, aber zumeist ein guter Kerl. In „Fast and Furious 6“ wird der Ford Mustang dann einfach von einem Panzer zerquetscht.

Taurin-gefüllter Stier

300 bis 400 Autos wurden für den nunmehr sechsten Teil des Franchise verbraucht. Und wer nun schreiben würde, mangels einer Geschichte gibt es immerhin den Blechsalat, der hat dieses ganze Unternehmen eben nicht richtig verstanden. Das ist natürlich die Geschichte. Dass nebenbei ein Superschurke zwischen London und Moskau dabei gehindert werden muss, eine Superwaffe zu bauen, die die ganze Welt bedroht, das ist wirklich nur ein kleines Trosthäppchen für jene, denen in diesem Film fad sein sollte. Also zurück zum Wesentlichen: Dwayne „The Rock“ Johnson, der in Teil 5 als DSS-Agent eingestiegen ist, um also Auslands-Amerikaner auf der ganzen Welt zu beschützen, fährt einen Navistar MXT – das sind diese militärisch wirkenden Geländewagen, auf deren Ladefläche sich praktischerweise auch eine Raketenabwehr oder Stalin-Orgeln montieren lässt. Johnsons aberwitzige Muskelberge, die ihrem Träger auch gar nichts anderes erlauben als wie ein mit Taurin abgefüllter Stier durch die Manege zu stapfen, korrelieren also bestens mit ihrem fahrbaren Untersatz. (Auch wenn die massige Präsenz von Johnson in dem tonnenschweren Truck, den er in dem in Kürze startenden Drogenbanden-Thriller „Snitch“ lenken darf, noch wesentlich charakteristischer ist.) Vin Diesel, im Film ursprünglich ein Krimineller, nun Verbündeter von Johnson, nimmt u.a. in einem wunderbar zwischen Eleganz und Proletariat positionierten Dodge Daytona Platz, da erübrigt sich jedes weitere Wort zu seiner Person. Gina Carano, bekannt als Kampfsportlerin aus Soderberghs „Haywire“, bleibt ihrer Rolle treu und liefert sich einen Catfight mit Michelle Rodriguez (totgeglaubte Ex-Freundin von Vin Diesel). Denn Frauen, soweit ist es in diesem testosterongeladenen Franchise noch nicht, definieren sich immer noch besser über ihre Körper als über ihre Autos. Überhaupt, im Lauf von 12 Jahren werden natürlich auch die hartnäckigsten Raser älter und gründen Familien. Schon zu Beginn endet eine Szene nach einer wirklich verantwortungslosen, aber sicherlich ebenso lustvollen Raserei auf einer Küstenstraße bei einem Einfamilienhaus ungefähr so, dass der eine der vor Männlichkeit strotzenden Raser dem anderen, der in diesem Augenblick Vater (!) geworden ist, die Worte mitgibt: Enjoy this moment, it changes everything. Einige Szenen später sieht man ihn auch schon mit Frau und Baby für das Familienbild zum Picknick drapiert. Werte wie Heroismus, Gewalt, Moral und Familie sind der geheime Kitt dieser Geschichte, in der selbst die Stimmen der männlichen Protagonisten tiefer gelegt klingen. Schade nur, dass bei der Demolierung der 300 bis 400 Autos der Zuseher keinen Joystick in der Hand hat. Raser-Games ohne Steuerknüppel sind trotz Stroboskop-Ästhetik halt nur der halbe Spaß.