Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 17. Jul 2014 · Film

Fruitvale Station

Am 1. Jänner 2009 wurde an der Fruitvale Station in San Francisco der junge Afroamerikaner Oscar Grant von einem Polizisten erschossen. Ryan Coogler zeichnet mit zupackendem Realismus und starken Darstellern den letzten Tag im Leben Grants nach und deckt den alltäglichen Rassismus auf. – Ein dichtes und erschütterndes Drama.

Unscharfe Handyaufnahmen vom brutalen Vorgehen der Polizei an der Fruitvale Station in der Silvesternacht 2008/09 stehen am Beginn. Mit diesen Bildern, die damals Fahrgäste der U-Bahn machten, wird nicht nur die Authentizität des folgenden Films bekräftigt, sondern auch das Ende schon vorweggenommen.

Der letzte Tag im Leben des Oscar Grant

Die Katastrophe ist vorgezeichnet, doch sie steht nicht im Zentrum des beim Sundance Festival 2013 preisgekrönten Regiedebüts von Ryan Coogler. Mit quasidokumentarischem Gestus zeichnet der 28-jährige Afroamerikaner vielmehr in dieser fiktionalisierten Realität den letzten Lebenstag des 22-jährigen Oscar Grant (Michael B. Jordan) nach. Vom Aufwachen mit seiner Freundin Sophina (Melonie Diaz), dem Versuch den Job im Supermarkt, den er wegen notorischen Zuspätkommens verloren hat – ein Umstand, den er Freundin und Familie verschweigt -, wieder zu erhalten, Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier der Mutter (Octavia Spencer), bis zur Fahrt mit der U-Bahn zum Feuerwerk nach San Francisco spannt sich der Bogen.

Realistische Alltagsschilderung

Keine dramatische Handlung wird entwickelt, vielmehr ein Alltagsbild des Lebens von Afroamerikanern in dieser Region gezeichnet. In langen Kamerafahrten durch die Straßen wird die Handlung ins Umfeld eingebettet. Verwaschene Farben, grobkörnige Bilder – gedreht wurde auf 16 mm -, die Arbeit mit Handkamera und der Dreh an Originalschauplätzen sorgen für Realismus.
Nah dran ist man an Oscar, direkt und ohne Distanz inszeniert Coogler, bietet nicht Reflexion, keine Hintergrundinformationen und keine Erklärungen, sondern empathische Milieustudie, verklärt aber seinen Protagonisten nicht. Als Mensch mit Fehlern und Schwächen lernt man Oscar kennen, der zwar einerseits liebevoll mit seiner Tochter umgeht, andererseits aber auch seine Freundin Sophina vor kurzem betrogen hat und wegen Drogenhandels im Gefängnis saß. Mit Jahreswechsel und dem Geburtstag der Mutter will er nun aber neu anfangen und alles besser machen.

Alltäglicher Rassismus

Dicht und packend deckt Coogler auch dank unverbrauchter und physisch präsenter Darsteller in der Fokussierung auf Grant und seinem Umfeld die schwierige soziale Lage der Afroamerikaner auf, die Geldnot, die sie leicht auf die schiefe Bahn bringt, den alltäglichen Rassismus, zeigt aber auch in einigen kurzen Szenen, dass schwarz und weiß auch harmonisch zusammenleben könnten. - Hier wirkt nichts gestellt, sondern alles auch dank der Sprache und der Dialoge ungeschminkt und echt.

Erschütterung und Wut

Die Zukunft scheint für Oscar offen, bis zum Polizeieinsatz an der Fruitvale Station, in dem der Film große Intensität und Härte entwickelt. Schonungslos deckt Coogler den Rassismus der weißen Beamten auf, die brutal gegen die Afroamerikaner vorgehen.
Löst dieses Finale, in dem das Leben eines durchschnittlichen jungen Mannes brutal zerstört und beendet wird, Erschütterung aus, so machen die Inserts im Nachspann wütend: Der Todesschütze kam mit zwei Jahre Haft davon, weil er Elektroschocker und Waffe verwechselt habe, und wurde schließlich nach elf Monaten entlassen. – Es bleibt der Ruf „Gerechtigkeit für Oscar Grant“ auf einer Gedenkfeier an der Fruitvale Station am 1.1. 2013., mit der der Film zu dokumentarischen Handyaufnahmen zurückkehrt und damit den Kreis zum Anfang schließt.