Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 15. Mai 2014 · Film

Grace of Monaco

Fürstin Patrizia von Monaco wird nicht am Mythos der kühlen Blonden gemessen, sondern als politische Aufrührerin inszeniert, die für ihren Akt der Selbstdisziplinierung zur fürsorglichen Landesmutter schließlich bildpolitisch heilig gesprochen wird. Ein Sixties-Vintage-Film, dem Nicole Kidman ihre Aura schenkt.

Anhand von „Grace of Monaco“ lässt sich quasi eine Regel behaupten: Je stärker ein Film Emotionen als dramaturgisches Mittel einsetzt, also je spekulativer er sich verhält, desto weiter klaffen Kinopublikum und Filmkritik in ihrer Rezeption auseinander. Auf der Website rottentomatoes, die eine Wertung relevanter US-Kritiker bietet, zählt das Tomatometer nur 5 Prozent Zustimmung der Presse, aber 85 Prozent des Publikums. Tatsächlich arbeitet „Grace of Monaco“ nicht wie zu erwarten mit dem „kühlen“ Image von Grace Kelly, das in der Fortschreibung ihrer Persona zu einem essentiellen Merkmal wurde. Deren Darstellerin Nicole Kidman hat vielmehr die Aufgabe, der zur monegassischen Fürstin avancierten Amerikanerin eine gehörige Portion Gefühl einzuhauchen, was fast schon einer filmischen Rehabilitation gleichkommt. Die frühen Jahre, das ist das Thema von „Grace of Monaco“. Damit beteiligt sich der Film nicht an den Spekulationen um den Tod der ehemaligen Schauspielerin, sondern wirft einen Blick auf Anpassungsschwierigkeiten einer Amerikanerin im engen Korsett eines höfischen Operettenstaates Anfang der Sechziger-Jahre. Kelly wird als eigenständig denkende Frau portraitiert, die einem arroganten französischen Minister energisch widerspricht und ihren Mann, Fürst Rainier, an den Rand einer Staatskrise bringt.

Märchen mit sakralen Tönen

Während Nicole Kidman mit ungewöhnlicher Verve die Aufrührerin spielen darf, muss ihr Kollege Tim Roth als Rainier III den Schweif einziehen. Nur hinter den Kulissen wird der unentschlossen wirkende Dandy, aufgestachelt durch seinen intimen Freund Aristoteles Onassis (Robert Lindsay), ausfällig gegenüber seiner Frau. So viel politische Bedeutung der Diva unter der Regie von Olivier Dahan zu Beginn auch zugesprochen wird, so wenig darf das vorangestellte Zitat der Fürstin während des Films vergessen werden: Sich mein Leben als Märchen vorzustellen, ist selbst ein Märchen. Diesem Diktum kommt auch „Grace of Monaco“ nicht aus. Denn ein Märchen ist diese Erzählung so oder so. Den kurios überzeichneten Szenen einer renitenten Schauspieldiva folgen in einem zweiten Akt Bilder der moralischen Läuterung: Die Fürstin, von Selbstzweifeln aber auch von ihren Ambitionen nach sozialer Anerkennung geplagt, fügt sich in einer dramaturgisch forcierten Selbstdisziplinierung ihrer neuen „schwierigsten“ Rolle und wird zur kümmernden Hausfrau und Vorzeigemutter für diese Bucht namens Monaco. Der Film goutiert diesen Verlauf insofern, als die visuelle Sprache der geläuterten Nicole Kidman zunehmend sakraler und von einem auratischen Schein der Selbstlosigkeit geprägt ist. Vergessen scheinen die Qualen der Zeremonien, die Zweifel an der Liebe ihres Ehemannes (I can’t be me, he loves my imag), während das Netzwerk von Abhängigkeiten, das diese junge Frau umgibt, nunmehr zum einzigen Sinn für ihre Existenz wird. Der Film selbst bekräftigt und feiert diese Wandlung, indem er eine naiv verfasste Rede vor einer versammelten Gesellschaft zum Ausdruck des Sieges umdeutet, mit dem nun alle Herzen der Grace of Monaco gehören. Das Voice over, das am Ende verspricht, You will be remembered, gilt, auf die eine oder andere Weise, auch für diese Inszenierung. Eine wahrlich fürstliche Reinwaschung – und umstrittener Eröffnungsfilm in Cannes.