Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Gunnar Landsgesell · 29. Jän 2015 · Film

Gruber geht

Ein Zyniker zeigt menschliche Züge, als er an Krebs erkrankt. Paradox, aber das könnte die Beziehung dieses Mannes retten. Manuel Rubey als softe Variante aus Doris Knechts Romanvorlage, und Bernadette Heerwagen spielt jene DJ aus Berlin, die Grubers Schale knackt.

Mit der Gewissheit, dass die Welt käuflich ist, scheint John Gruber gut gefahren zu sein. Gehobener Lebensstil, New-Economy-Karriere, eine Gewinner-Visage als Visitenkarte. Wenn es um Gefühle geht, wirkt Gruber (Manuel Rubey) weniger selbstsicher. Er überspielt sie mit Sarkasmus. Sein Single-Dasein hat damit aber nichts zu tun, das ist Ausdruck seiner Vitalität. Er ist frei. Mit der Bekanntschaft der emotional unverstellten Sarah (Bernadette Heerwagen), einer DJ aus Berlin, und einer zeitgleich diagnostizierten Krebserkrankung tauchen in Grubers künstlicher Persona erstmals Risse auf. Der Mann zeigt Ansätze menschlicher Züge.

Mit leisen Tönen

„Gruber geht“ – und insbesondere wohl die gleichnamige Romanvorlage von Doris Knecht – lebt von der Rotzigkeit seines Protagonisten. Ein bisschen slimy, selbstsicher arrogant und mit zynischem Humor ausgestattet, ist er definitiv in der Yuppie-Existenz der 1980er-Jahre hängengeblieben. Über sein Entrepreneurship erfahren wir nur soviel, dass dessen Erfolg viel mit der Blendkraft des Selbstdarstellers zu tun hat. Regisseurin Marie Kreutzer inszeniert diese Figur etwas weicher, deutlich unterhalb der Arschloch-Grenze. Dazu trägt auch Manuel Rubey bei, dessen Zynismus letztlich recht unschuldig wirkt und dessen Bubenlächeln auch im Alter des Mitt-Dreißigers noch schelmisch daherkommt. Wenn Rubey einen Anruf von der schwangeren Sarah bekommt, indem sie ihm mitteilt, dass er Vater wird, und dessen erste Antwort lautet „Ich zahle alles“, dann wirkt das eher unbeholfen als abgedreht. Dementsprechend abgefedert wirkt auch der Angelpunkt dieser Geschichte. Nach der Krebsdiagnose ist es nicht nötig, Gruber in die Krise zu stürzen und dessen Gefühlshaushalt völlig neu zu justieren, weil er schon vorher kein hoffnungsloses Scheusal war. Kreutzer, die mit ihrem ersten Langfilm „Die Vaterlosen“ bewies, dass sie auch einen großen Cast mit der nötigen Sorgfalt führen kann, vermag auch mit „Gruber geht“ eine Tragikomödie in sprechenden Bildern und mit leisen Tönen zu erzählen. Ein bisschen kühl wirkt die Inszenierung allerdings, obwohl der Stoff doch auch nach einer gewissen Körperlichkeit verlangt, egal ob das Grubers Krankheit ist, Sex oder sein narzisstisches Körpergefühl. Während Rubeys Dialoge sich vielfach auf der Ebene des Schmähs bewegen, fühlt sich Kreutzer bei der Konturierung ihrer Protagonistin merkbar wohler. Sie wirkt in ihrer Zu- und Abneigung Gruber gegenüber frisch. Kurze Szenen mit Grubers Mutter oder seiner Schwester (Doris Schretzmayer), die mit ihrer Familie ein Häuschen am Waldrand bewohnt, bestätigen Gruber den Egomanen eher, als neue Facetten von ihm zu zeigen. Eine Szene, die ihn in einem Arbeitszusammenhang zeigt, lässt jedoch tief blicken. Gruber versucht bei einem Treffen in einem Lokal, einen Auftrag doch noch zu bekommen, indem er seine Geschäftspartner mit einer edlen Flasche Wein überzeugen will. Die sehen das als billigen Bestechungsversuch an und gehen, was Gruber völlig konsterniert zurücklässt. Einprägsam ist nicht die erlebte Niederlage Grubers, sondern die Stillosigkeit, der er hier geziehen wird, die einen als Zuseher zusammenzucken lässt. Als Moment, in dem die Selbstinszenierung seine nackte Fassade dahinter bloßlegt.