Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Gunnar Landsgesell · 05. Jun 2014 · Film

Miss Sixty

Iris Berben als Sechzigjährige mit In-vitro-Fertilisationsplänen trifft auf gleichaltrigen Macker, mit dem sie - zwecks gesellschaftlich auszutragender Thematik - eine Liebesbeziehung eingeht. Eine nette deutsche Komödie, deren Risikobereitschaft sowohl im Humorbereich wie auch in ihrer Thesenfreudigkeit eher begrenzt ist.

Wie lässt sich in einer knappen Szene darstellen, dass jemand menschlich ein Arschloch ist? Man könnte einen Hilfesuchenden auf allen Vieren eindringlich um Hilfe bitten lassen, während das Ekel mit einer flapsigen Bemerkung vorbei hastet. So macht es Iris Berben als Titelfigur von „Miss Sixty“. Selbst ihre Wissenschaftskollegen lehnen sie ab, freuen sich über ihre Pensionierung. Aber der Film gibt nicht ihnen Recht, sondern Luise Jansen, der Karrieristin, die arrogant und beleidigend ist, aber letztlich auch für den Humor und das Anliegen dieser Komödie zu sorgen hat. Deshalb ist der Zynismus dieser Figur nur aufgesetzt, sie ist nicht wirklich zynisch – und das ist schade. Die steile Kurve der bitterbösen Satire, die „Miss Sixty“ zu Beginn nimmt, flacht bald ab – zugunsten eines netten, braven deutschen Unterhaltungsfilms mit zeitweise spontanem Witz, für den aber nicht zufällig Iris Berben als Hauptfigur ausgewählt wurde.

Nicht so gemeint

Denn „Miss Sixty“ geht es gar nicht so sehr darum, den Menschen, die diesen Film bevölkern, in Form der Misanthropin einen Spiegel vorzuhalten. Sondern um ein Anliegen: die schon mal hitzig geführte Diskussion über In-vitro-Fertilisation und „späte“ Mütter aufzugreifen und locker zu diskutieren. Frau Jansen soll also nicht wirklich ein Ekel, sondern eine selbstbestimmte Frau darstellen, die sich um ihre Umwelt einen feuchten Kehricht kümmert. Und der Mann, der im Park um Hilfe suchte – Edgar Selge als männlicher Gigolo im Pensionsalter – rappelt sich schließlich auf, um den eifrigen Befruchtungsgegner zu mimen, der mit seiner jungen Freundin scheinbar eigene Vorrechte beansprucht. Dass beide in der Folge ein höchst gegensätzliches Paar bilden müssen, ist dabei noch nicht ehrenrührig. Als Parodie solcher Komödienkonventionen könnte das dennoch ganz produktiv verlaufen. Tut es aber nur bedingt. Wo bei Berbens herber Figur die Konsequenz fehlt, erscheint der männliche Widerpart zu angestaubt, um penetrante Männlichkeit zu demonstrieren.
Wer beim Publikum keine Risiken eingehen will wie die Erstlingsregisseurin Sigrid Hoerner (die immerhin Marvin Krens Berlin-Zombie-Film „Rammbock“ produziert hat) und ihre Drehbuchautorin Jane Ainscough („Hanni & Nanni 2“), der setzt die zahlreichen Konflikte deshalb nur wie bei einer Probe in Szene. Ist ja nicht so gemeint, alles ganz heiter und keinesfalls ernst. Derart unscharf bleibt auch das Profil von „Miss Sixty“: Ein Film mit einem Anliegen, von saturiertem Unterhaltungswert, dessen Turbulenzen aber so wenig beunruhigend wirken wie das Geschehen in einem Rosenmüller-Film („Wer früher stirbt, ist länger tot“). „Miss Sixty“ ist vor allem eines: nett.