Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 11. Okt 2012 · Film

More than Honey

Mit einer Universum-Doku hat dieser Film nicht viel gemein. "More than Honey" ist wunderbares Kino, das die bizarre Natur der Bienen mit deren irrwitziger Vernutzung in einen Zusammenhang stellt.

Eine Biene ertrinkt im Zuckerwasser, das ihr als Ersatz für den Honigraub in den Imker-Kasten geleert wird. Ein anderes Tier kommt im Trichter einer Mandelblüte zu Tode, als der Pestizidstrahl sie trifft. Bilder wie diese klingen ganz nach alarmistischen Metonymien, wie wir sie im Kontext des Klimadiskurses mittlerweile schon gewöhnt sind. Das erstaunliche an Markus Imhoofs narrativem Dokumentarfilm ist aber, dass der Regisseur nahezu ohne agitatorische Zuspitzungen auskommt. „More than Honey“ ist ein wunderbar erzählter, klug und sorgfältig konstruierter Film, der den Betrachter über seinen sanftmütigen Tonfall für sich zu gewinnen weiß. Wo „politische“ Dokumentarfilme auch vor visuellen Schocks nicht zurückschrecken oder die Erzähler sich selbst als Botschaft in den Mittelpunkt rücken (Moore, Broomfield), behält der mittlerweile 71jährige Schweizer Spielfilmregisseur Imhoof („Die Reise“) auf beeindruckende Weise den Überblick. Fast unmerklich weitet Imhoof sein Blickfeld vom beschaulichen Leben eines alten Imkers, den der Zeitenwandel zu überrollen droht, in Richtung ökonomischer Zusammenhänge, deren Vernutzungswut selbst die brave Honigbiene nicht ausklammert. Da wird von der Biene als Wirtschaftsfaktor gesprochen, deren Summen mit dem Knistern von Geldscheinen assoziiert, während in den USA Bienen Tausende Kilometer weit von einer Monokultur zur nächsten in Trucks verladen oder in Bienenköniginnen in Briefsendungen in neue Einsatzgebiete verschickt werden. Die Tiere, sie entpuppen sich in beeindruckenden Makroaufnahmen als kleine Fellwesen, wurden einem zu diesem Zeitpunkt bereits still und leise ans Herz gelegt, als handelte es sich um Schafe und nicht um ein höchst effizientes Insekt, das am Ende der Saison gerne auch die restlichen Drohnen tötet, um unnötige Esser zu beseitigen.

 

Irrwitzige Interventionen

Dem Bienensterben spürt Imhoof im Sinn journalistisch/wissenschaftlicher Methoden nicht nach. Die Sorge, hier auf eine Natur-Doku a la Universum zu treffen, deren gestaltende Freude sich in der Perfektion ihres ästhetischen Mehrwerts (perfekte Bilder!) zu verlieren droht, erweist sich als unbegründet. „More than Honey“ ist völlig richtig im Kino aufgehoben, wo der Film eine fremde, bizarr anmutende Tierwelt mit den Auswirkungen irrwitziger Human-Interventionen aber auch der Imagination des Publikums zu verbinden weiß. Auch wenn der Film gegen Ende verabsäumt, dem Rhythmus der Natur folgend mit dem Saisonende der Mandelbaum-Monokultur auch den eigenen erzählerischen Kreis zu schließen, und in der Folge etwas ausfranst, ist „More than Honey“ tatsächlich „mehr“ als ein Film über Bienen: kluge Zivilisationskritik, verpackt als wunderbares Naturerlebnis.