Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Gunnar Landsgesell · 07. Mai 2015 · Film

Nur eine Stunde Ruhe

Einen Pariser Zahnarzt, der sich in Ruhe einem raren Jazz-Album hingeben möchte, sucht das Leben heim: seine Frau gesteht eine Affäre, sein Sohn will Sans-Papiers einquartieren, der Handwerker setzt alles unter Wasser. Turbulente Gesellschaftskomödie, glatt und routiniert inszeniert von Patrice Leconte.

Vielleicht steckt in dieser Geschichte ja die Rache am saturierten französischen Bürgertum, das glaubt, sein Leben ganz zur eigenen Bequemlichkeit eingerichtet zu haben. Als der Pariser Zahnarzt Michel Leproux (Christian Clavier) auf einem Flohmarkt ein lange gesuchtes Jazz-Album mit dem bezeichnenden Titel „Me, Myself and I“ findet, möchte er sich das an diesem gepflegten Samstagvormittag im eigenen Nest zu Gemüte führen. Doch das Leben, das Monsieur Leproux in bester Ordnung wähnt, spielt ihm plötzlich übel mit. Sein Sohn platzt mit einer philippinischen Sans-Papier-Familie herein, seine Frau (Carole Bouquet) gesteht eine Affäre, deren Ergebnis der Sohn ist. Die Handwerker setzen die Wohnung des Nachbarn unter Wasser, Leproux’ Geliebte taucht unvermittelt auf, während seine Mutter ihn mit Anrufen terrorisiert. „Nur eine Stunde Ruhe“ (Une heure de tranquillité) präsentiert sich unter der Regie von Patrice Leconte („Der Mann der Friseuse“) als turbulente, vor allem aber routiniert inszenierte Gesellschaftskomödie, die ihre Energien eher aus der permanenten Ruhestörung als der Spezifika ihrer Charaktere bezieht.

De Funès anders rum

Die Beschleunigung der Zeit, der Stress, der heute alle im Griff hat, war ursprünglich das Thema eines Bühnenstücks des jungen Pariser Autors Florian Zeller. Leconte fand das Thema passend und verfilmte es seinerseits ohne große Veränderungen. In der Hauptrolle des drangsalierten Jazz-Freundes ist Quotenkaiser Christian Clavier aus der jüngsten Gesellschaftskomödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ zu sehen. Leconte hatte Clavier aber schon in seiner locker erzählten, stilgebenden Ferienkomödie „Die Strandflitzer“ vor bald 40 Jahren eingesetzt. Und wer sich an Adriano Celentano in „Bingo Bongo“ aus dem Jahr 1982 erinnert, wird die betrübte Film-Ehefrau Claviers, Carole Bouquet, an der Seite des Hominiden finden. An Routine, Turbulenz und Tempo fehlt es „Nur eine Stunde Ruhe“ sicherlich nicht. Eher am Sand im Getriebe. Wo sich alte und neue Geschichten, Nebensächlichkeiten und bedeutsame Momente ungeordnet übereinander türmen und zielsicher in das Chaos führen, sollte die Eruption des Geschehens zu spüren sein. In der Regie von Leconte stellt sich dieses aber als gut geölte Maschine dar, die die vielen kleinen Sabotageakte eines gepflegten Samstagvormittag viel zu glatt zu übersetzen weiß. Die Selbstgewissheit des Bürgerlichen gerät trotz allem nie in Gefahr. Temporeichtum und eine Figur wie jene von Christian Clavier gemahnt im übrigen an den hypertrophen Komödianten Louis de Funès. Der Unterschied: de Funès war der ultra-nervöse Mittelstandsbürger, der sein Umfeld in einen Strudel von Turbulenzen riss und offenbar Angst hatte, in seinem Leben einmal zur Ruhe zu kommen. Genau das versucht aber die Figur von Clavier.