Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 06. Nov 2014 · Film

Plötzlich Gigolo - Fading Gigolo

Spritzige Dialoge, Witz, Romanze und einen Blick auf das orthodoxe jüdische Viertel von New York mixt John Turturro mit leichter Hand zu einem stimmungsvollen und charmanten Film über Einsamkeit und die Sehnsucht nach Liebe. – Nah an Woody Allen ist diese Tragikomödie und doch etwas Eigenes, das leicht daher kommt und doch Tiefgang besitzt.

Es beginnt in quadratischem Format mit dem unscharfem Homevideo eines Blocks in Brooklyn und aus dem Off berichtet ein Mann, dass er nun den Buchladen des Großvaters schließen müsse. Mit einem Sprung in den Laden wechselt der Film zu Breitwand, doch die Farben bleiben warmes Braun und Gelb und werden dem ganzen Film den Stempel aufdrücken. Die Herbststimmung, die später auch das gelbe und rote Laub im Central Park evoziert, verleiht „Plötzlich Gigolo“ eine stark melancholische Note.

Vom Floristen zum Gigolo

Die Stimme des Anfangs gehört Murray Schwartz (Woody Allen), der nun arbeitslos da steht, aber gleich in der Buchhandlung noch seinem Freund oder Schützling mit dem klingenden Namen Fioravante (John Turturro) erklärt, dass sich seine Hautärztin eine Menage à trois wünsche und er dabei an ihn als Liebhaber gedacht habe.
So wird Murray zum Agenten – oder Zuhälter –, der sich bald den klingenden „Künstlernamen“ Dan Bongo  zulegt, während Fioravante zunächst unter seinem Namen die Hautärztin (Sharon Stone), dann auch ihre Freundin, aber auch die Witwe (Vanessa Paradis) eines Rabbiners aufsucht
Schön ist, wie Turturro diesen Gigolo immer mit einem traurigen Gesicht spielt, wie unsicher er, aber auch die Hautärztin zunächst ist, und wie er bei der Massage der jüdischen Witwe langsam vom professionellen Lover zum Liebenden wird und wie gleichzeitig die verhärmte Witwe durch seine Massage zu neuem Leben erwacht.

Verwelken und aufblühen

Nicht zufällig arbeitet dieser Gigolo folglich auch in einem Blumengeschäft und „fading“ („verwelken“) bezieht sich eben auch auf „verwelken“ und „aufblühen“ von Personen, denn durch seine Liebesdienste blühen auch die anderen Frauen richtig auf, sehnen sich nach mehr, schmeckt er doch – wäre er eine Eissorte – nach Pistazien.
Doch Liebesglück gibt es hier nicht, denn „Wo Liebe ist, ist auch Leid“ sagt Turturro einmal, doch traurig endet „Plötzlich Gigolo“ deswegen noch lange nicht, vielmehr offen mit dem Beginn einer anderen möglichen Geschichte und Allens – unübersehbar an „Casablanca“ angelehnter und direkt in die Kamera gesprochenen – Bemerkung, dass dies der Beginn einer sehr speziellen Beziehung sein könne.

Komödiantischer Blick auf orthodoxe jüdische Community

Schön ist nicht nur, wie leicht und doch tiefgründig Turturro von Einsamkeit und Sehnsüchten erzählt, sondern auch wie nebenbei ein – freilich nicht dokumentarischer, sondern ein komödiantischer und tendenziös verzerrter - Einblick in die orthodoxe jüdische Community geboten und deren strenge Regeln, die ein befreites Leben verhindern, in Frage gestellt werden. Das geschieht verpackt in ebenso originelle wie witzige Episoden mit eigenwilligen Figuren wie einer jüdischen Bürgerwehr, die der Witwe nachspioniert, oder einem seltsamen Tribunal von Rabbis als Richter.

Flotte One-Liner und sanfte Melancholie

Und dazwischen eingestreut sind natürlich One-Liner, mit denen Woody Allen, der sich in seinen eigenen Filmen immer weniger zeigt, beweist, dass er immer noch über Esprit und Einfallsreichtum verfügt und nebenbei kurz seine Standardthemen Tod und Krankheit, vor allem aber das Judentum ins Spiel bringen kann.
Lustvoll spielt er seinen Part, drängt sich aber nicht in den Vordergrund, denn in diesem steht eindeutig John Turturro, der aber ganz zurückhaltend agiert, wunderbar mit seinem im Grunde traurigen, nie lächelnden Gesicht, seine Einsamkeit, aber auch das Aufblühen durch die Liebe zur Witwe Avigal - die Namen allein regen hier schon zum Schmunzeln an – vermittelt.
Und auch der sanfte Jazz trägt viel zum runden und äußerst sympathischen Gesamteindruck dieses Films bei, der zwar auf den Spuren Woody Allens wandelt, aber doch eine ganz eigene Note findet.