Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Gunnar Landsgesell · 29. Okt 2014 · Film

Pride

Schwule Aktivisten aus Brixton und hartgesottene Bergarbeiter aus Wales gegen die Iron Lady Margaret Thatcher? Kein einfacher Schulterschluss, damals im Jahr 1984. "Pride" entreisst diese historische Episode mit viel Witz und Esprit dem Vergessen und erzählt sie auf äußerst kluge Weise neu.

Aufgedrehte ältere Damen aus der walisischen Provinz, die sich bei ihrem Ausflug nach London im Schlafzimmer eines schwulen Schauspielers über Sexspielzeug amüsieren, das klingt nach forciertem Humor. Auch wenn diese Episode historische nicht verbrieft ist, lebt die fabelhafte britische Komödie „Pride“ von einer ganz unwahrscheinlichen, tatsächlichen Begegnung: Lesbisch/schwule Aktivisten aus Brixton hatten 1984 Spenden für streikende Bergarbeiter in Wales gesammelt, um diese zu unterstützen. Nach einem Jahr gaben die Kohlearbeiter auf, Margaret Thatcher hatte sie regelrecht ausgehungert. Just vor diesem wenig erbaulichen Hintergrund findet „Pride“ aber von der Tragödie zur Komödie: Der Film zeigt genüsslich auf, dass ein gemeinsamer Feind noch lange keine Freundschaften schafft, und wie das nach einer etwas längeren Kennenlernphase doch noch glücken kann.

Eine Charakterkomödie

„Feel good“, ein Label, das wohl kein Filmemacher gerne hört, ist für „Pride“ nicht verkehrt, aber auch nur die halbe Wahrheit. Es ist selten, dass ein Film es wagt, sich so gefällig und geradezu naiv zu gerieren, ohne dabei seine erzählerische Tiefe zu verspielen. Der am Theater arbeitende Regisseur Matthew Warchus bezieht aus fast jeder Szene einen sinngebenden Mehrwert, wenn er zwei dissonante Milieus aufeinander loslässt und Identitäten durchschüttelt. Angeführt wird das Grüppchen schwuler Aktivisten von Mark (Ben Schnetzer), einem jungen Wilden mit Lederjacke, der sich schon während einer Demo zu Beginn als energischer Vordenker erweist. Eher zufällig gerät der kleinbürgerlich geprägte Joe (George MacKay) in den Marsch und lässt sich vom Sog der aufrührerischen alternativen Szene fasziniert mitspülen. Der Schock ist groß, als die Gruppe ihre fleißig gesammelten Spenden übergeben will. Die stockkonservativen sozialistischen Gewerkschafter lehnen diesen Support allesamt brüsk ab, und als die Leute aus Brixton endlich Kohlearbeiter eines walisischen Dorfes treffen, lähmt eine homophobe Stimmung die Festhalle. 30 Jahre blickt Regisseur Warchus zurück und er weiß von Aufbrüchen jeder Art zu berichten. Brave Mütter und harte Burschen wachsen über sich hinaus, während andere ihr wankendes Weltbild dadurch stabilisieren, dass sie gegen die „Schwulenseuche“ AIDS mobilisieren. Wesentlich zur Wirkung von „Pride“ trägt der unbefangene Witz bei, mit dem Warchus seine Akteure einer Selbstbefragung unterziehen und die eigenen Grenzen damit ständig ausdehnen lässt. Das gilt besonders für den Cast der walisischen Fraktion: Paddy Considine als nach außen hin entschlossener Gewerkschafter, Imelda Staunton („Vera Drake“) als beherzte Vorreiterin für Toleranz und Bill Nighy als steifer Buchhalter sorgen für charakterliche Schattierungen. Dass der Film seinen historischen Kontext (sein Anliegen, wenn man so will) nicht aus den Augen verliert, ohne dabei ganz dramatisch auf historische Wahrheit zu spielen, ist eine der Stärken dieses Projekts.