Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 29. Sep 2012 · Film

Schutzengel

Filme von Til Schweiger sind immer wieder Familienunternehmen. Er selbst führt Regie und spielt die männliche Hauptrolle, die weibliche Hauptrolle, die er in der Komödie „Kokowäh“ mit seiner jüngsten Tochter Emma besetzte, spielt in diesem Actionfilm um einen Ex-Afghanistan-Soldaten, der eine Kronzeugin vor den Killern eines Waffenhändlers beschützen muss, wie schon in „Keinohrhasen“ seine älteste Tochter Luna. - Geschossen wird viel, doch Drehbuch und Regie lassen jeden Einfallsreichtum vermissen und die Figuren bleiben blass.

Wenn man „Schutzengel“ gesehen hat, versteht man, wieso Til Schweiger keine Pressevorführungen vor dem offiziellen Filmstart erlaubt, sondern seine Filme nur einem kleinen Kreis befreundeter Journalisten zeigt. Bewusst scheint er sich zu sein, dass die Kritiker seinen Film schon vorab zerreissen würden. Fürchten müsste er sich davor aber kaum, denn auch bei Mainstream-Filmen wie „Rambo“ oder „Da Vinci Code“ schmälerten vernichtende Kritiken nicht den kommerziellen Erfolg.

Schweiger-Vehikel

Sehen lassen kann sich auf jeden Fall die Besetzung von „Schutzengel“, denn immerhin spielt Heiner Lauterbach den verbrecherischen Waffenhändler, Hannah Herzsprung eine Kollegin Schweigers und Moritz Bleibtreu seinen Kriegskollegen und Freund Rudi. Abgesehen von Bleibtreu, dessen Part etwas größer ist und der mit sichtlicher Lust bei der Sache ist, verabschieden sich die anderen aber rasch aus dem Film: Ein Vehikel für Papa Til und Tochter Luna ist dieser Actionfilm in erster Linie. In praktisch jeder Szene sind sie präsent und werden immer wieder in Großaufnahmen ins Bild gerückt.
Auslöser der Handlung ist ein Mord des Waffenhändlers Backer (Heiner Lauterbach), den die 15-jährige Vollwaise Nina (Luna Schweiger) beobachtet. Der Täter kommt mit seinen Beziehungen zur Justiz bald auf Kaution frei und setzt nun alles in Bewegung um Nina, die im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms vom Ex-Afghanistan-Soldaten Max (Til Schweiger) beschützt werden soll, auszuschalten. Als Max Nina der Polizei übergeben soll, widersetzt er sich, weil auch dort Backers Helfer sitzen, und so werden der Teenager und ihr Schutzengel bald nicht nur von Horden von Killern, sondern auch von der Polizei gejagt.

Drehbuch-Flickwerk

Einzelne Szenen wie eine Konfrontation in einer Raststätte oder eine Autokontrolle sind – sofern man keine Sekunde über die Glaubwürdigkeit nachdenkt – an sich durchaus spannend inszeniert. Doch während ein guter Regisseur solche Momente mit Understatement inszeniert, setzt Schweiger förmlich ein Rufezeichen dahinter und will den Zuschauer immer darauf hinweisen, was für eine tolle Szene er soeben gesehen hat.
Mit diesem wichtigtuerischen Gehabe könnte man vielleicht noch leben, viel schwerer wiegt schon, wie einfallslos und vorhersehbar die Handlung dahinplätschert. Auf jede Schießerei folgt eine Ruhephase mit endlosen banalen Dialogen, um dann wieder von einer Schießerei abgelöst zu werden. Weder Rhythmus noch Drive entwickelt "Schutzengel" so, reißt den Zuschauer nie mit.
Die Krimigeschichte, die der Auslöser der Handlung ist, verliert bald jede Relevanz und es geht nur noch um die Beziehung zwischen der Zeugin und ihrem Beschützer, die sich langsam näher kommen. Doch auch diese Quasi-Vater-Tochter-Geschichte wird im Grunde nicht entwickelt, sondern holpert vielmehr unbeholfen von Szene zu Szene. Vollends hanebüchen wird es, wenn Nina auch noch eine zerbrochene Beziehung ihres Schutzengels kitten darf.

Träge und hohl

So unglaubwürdig und wenig ausgefeilt das Drehbuch ist, so wenig gibt auch die Inszenierung her. Wie auf einer Autobahn geht es hier absolut überraschungsfrei dahin und in den zahlreichen Großaufnahmen, bei denen jeder Hintergrund in Unschärfe getaucht ist, entwickelt sich auch kaum einmal ein Raumgefühl, durch das der in verwaschene kalte Grau-, Grün- und Blautöne getauchte Film frei atmen könnte. Nichts gibt es hier über weite Strecken zu sehen außer den Gesichtern von Til und Luna Schweiger, in denen sich trotz Lunas starker physischer Präsenz aber auch wiederum kaum etwas abspielt. - Träge ziehen sich so hohle 130 Minuten hin und kaum hat man das Kino verlassen, wird man „Schutzengel“ auch schon wieder vergessen haben.