Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 25. Apr 2013 · Film

Side Effects - Tödliche Nebenwirkungen

"Side Effects" wird mein letzter Kinofilm sein, kündigte Steven Soderbergh an. Vielleicht erlaubt er sich in diesem psychologischen Thriller rund um die Pharmaindustrie und eine mörderische Patientin auch deshalb ein Spielchen, das den Film schließlich auf komische Weise wendet.

Gut möglich, dass Steven Soderbergh sich die Finanzierungsstrapazen für Kinofilme in den USA nicht mehr antun will. Die Ankündigung, „Side Effects“ sei seine letzte Arbeit für das Kino, wäre so gesehen verständlich, auch wenn Soderbergh beachtliche vier Arbeiten für das Kino in den vergangenen drei Jahren vorgelegt hat. Bei seinem nächsten Fernsehfilm „Behind the Candelabra“  (das Liberace-Biopic mit Michael Douglas als der exzentrische Las-Vegas-Star-Pianist) besorgte der Bezahlsender HBO die Finanzierung. Vielleicht entledigt sich Soderbergh, eine der umtriebigsten Kreativkräfte Hollywoods, damit auch dem wachsenden Druck, Dramaturgien nach Erfolgsmuster zu replizieren. Vor diesem Hintergrund darf die spektakuläre Wendung, die der psychologisch unterfütterte Thriller „Side Effects“ nimmt, vielleicht auch als unterhaltsamer Streich eines Regie-Kobolds gesehen werden. Zu Beginn entwickelt sich der Film als Studie eines persönlichen Zusammenbruchs: die junge Ehefrau Emily (Rooney Mara) eines Bankers (Channing Tatum), der wegen Insiderhandels im Gefängnis saß und eben entlassen wird, scheint dem Druck ihres getriebenen Ehemannes nicht standzuhalten und rapide in eine Depression zu versinken. Dem Suizidversuch in einer Tiefgarage folgt eine Therapie beim Psychiater Dr. Banks (Jude Law), der eine Reihe von Anti-Depressiva an ihr ausprobiert. Als er ihr schließlich ein neues Medikament anbietet, das sich noch in der Testphase befindet, hat Soderbergh bereits unmerklich ein ganzes soziales System aufgebaut, das auf die eine oder andere Art mit der – durchwegs als wenig vertrauensvoll ausgewiesenen – Pharmaindustrie zusammenhängt. Der Psychiater erhält eine fette Prämie für die Akquirierung neuer Patienten, womit er zugleich den Lebensstandard für sich und seine ehrgeizige aber arbeitslose Lebensgefährtin und die Privatschule für deren Sohn finanzieren kann; die Patientin braucht keine schweineteuren Medikamente bezahlen, sie kriegt sie als Versuchskaninchen gratis; und diese nähren wiederum die Hoffnung, dem Druck des Ehemanns standzuhalten. Die titelgebenden Nebenwirkungen des Mittels – Soderbergh setzt in dieser Phase auf kleine Horror-Gimmicks: Emily schlafwandelt, scheint geistig abzudriften, ihr Gesicht sieht ihr bei einer Party als verzerrte Fratze aus dem Spiegel entgegen – gipfeln schließlich in einem Mord. Und der Regisseur scheint das Publikum nun da zu haben, wo er es haben will: Ein Spannungsfilm, der auf intelligente Weise die Frage nach der Verantwortung stellt. Auf wessen Konto gehen diese letalen Nebenwirkungen? Ist die Täterin verantwortlich oder ist sie vielmehr das Teilchen in einem größeren Design?

Soderberghs Finte

Dass „Side Effects“ an diesem Punkt einfach eine neue Richtung einschlägt und seine Erzählung aus einer anderen Perspektive (auch so ein Psycho-Ansatz) neu aufrollt, ist dann weit mehr als bloß eine falsche Fährte gelegt zu haben. Die Frage der Verantwortung, die einen eben noch beschäftigt, verliert sich auf spielerische und dem Kino in seinen Erzählmöglichkeiten fast exklusiv gegebenen Möglichkeiten zunehmend: Die Konturen des bisher gesehenen Films lösen sich auf und formen sich wie aus Dämmernebel ziemlich neu. Das kann man doof finden oder auch ziemlich witzig. Mit seinem Drehbuchautor Scott Z. Burns, mit dem Soderbergh bereits den naturalistisch-kühl inszenierten Seuchenfilm „Contagion“ realisiert hat, in dem sich die USA vor der Selbstauslöschung befinden, hat „Side Effects“ nur sein thematisches Interesse für Krankheit und Behandlungsansätze gemein. Der Fortgang erinnert mehr an die Leichtigkeit mit der Soderbergh seine beiden Arbeiten davor, die Stripper-Komödie „Magic Mike“ und den Kampfsportthriller „Haywire“, inszeniert hat. Da erhöht sich die Herzschlagfrequenz und bis dahin verborgene Interessen der Akteure treten in einem komischen aber auch menschlich verständlichen Spiel zunehmend zutage. Die Anfangsszene, ein bedächtiger Schwenk über die Stadt auf ein großes Haus in einen Raum hinein, in dem eine Blutspur zu sehen ist, ist dann immer noch gültig. Nur unter anderen Voraussetzungen.