Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 30. Okt 2012 · Film

Skyfall

50 Jahre James Bond und kein Ende. Wie Daniel Craig als 007 den Spagat zwischen Charmeur und Actionheld hinlegen muss, ist seine größte Bürde. Er meistert sie mit Anstand.

„Think on your sins“, blinkt es immer wieder auf dem Computer von M. Judi Dench, Chefin von James Bond, hat offenbar einige schmutzige Tricks in der Vergangenheit benutzt, vielleicht sogar während des Kalten Krieges einige MI6-Agenten zugunsten höherer Ziele über die Klinge springen lassen. Auch wenn M nun von der Vergangenheit eingeholt wird, zeigt sie sich wenig zimperlich: Schon zu Beginn des neuen 007-Abenteuers „Skyfall“ gibt sie während einer der ebenso opulent wie sinnfrei inszenierten Materialschlachten zwischen Bond und einem Widersacher Schussbefehl. Auch auf die Gefahr hin, dass ihr bester Agent dabei getroffen werden könnte.

Es scheint einiges in Unordnung geraten zu sein, im britischen Geheimdienstapparat. Diese Unordnung zieht sich durch den gesamten Film. Sie beginnt mit den Schurkenstaaten, die dem Superagenten als klassische Gegner abhanden gekommen sind. Man hätte es jetzt mit Individuen zu tun, heißt es einmal vielsagend in einem Gespräch. Wer diese sind, schält sich erst im Lauf der Erzählung heraus. Dass die Agentenfresser aber im eigenen Apparat sozialisiert wurden, müssen Dench und 007 spätestens nach einer heftigen Explosion in der Geheimdienstzentrale zur Kenntnis nehmen. Gehackte Computer spielen dabei ebenso eine Rolle wie ein überfälliger, aber nicht vollzogener Generationenwechsel bei MI6. M, bereits etwas altersstur, scheint mit den technischen Möglichkeiten ihrer Zeit – globale Allround-Überwachung per Notebook und Satellit – nicht zurecht zu kommen, während Bond damit kämpft, den breiten Spagat zwischen 50 Jahren Agentencharme und technisch ausgefeilten Actioneinlagen zu schaffen. In der neuerlichen Besetzung von Daniel Craig als 007 wirkt die Rolle des Verführers allerdings ziemlich pflichtbewusst und (zurecht) antiquiert, während ein Faustkampf inmitten von Waranen (oder sind es riesige Leguane?) und Motorradverfolgungsjagden über den Dächern von Istanbul schon enger das Einsatzgebiet eines Schauspielers wie Craig abstecken. Da eine zu spröde Wendung zum Actionspektakel das nunmehr wieder hocherfolgreiche James-Bond-Franchise aber auch nicht gefährden darf, hat auch Q, der Mann aus der Entwicklungsabteilung, einige Auftritte zu absolvieren. An seiner Figur und Besetzung (Ben Whishaw) macht sich das Dilemma eines Agenten, der nicht abtreten darf, weil ihn das Unternehmen braucht, am deutlichsten fest: Whishaw parodiert einen Nerd, der aus einem Slacker-Film auf den falschen Set gestolpert scheint. Ein Fremdkörper in „Skyfall“, der die fehlende Verbindung der Protagonisten zueinander und die Entfremdung zu ihren mal modernen, mal klassischen Arbeitsgeräten quasi auf den Punkt bringt. Q gibt Bond ein extrabescheidenes Köfferchen mit Pistole und Peilsender mit auf den Weg, das sich ebenso wie der später aus einer Hinterhofgarage geholte Aston Martin als „witzige“ 60er-Jahre-Referenz allemal recht hohl anfühlt.

Zwischen den Zeiten

Der Versuch von Sam Mendes („American Beauty“, „Road to Perdition“), Bond wieder stärker als „Charakter“ zu positionieren, ist mit den Griffen in die Geschichtskiste eben nur teilweise von Erfolg gekrönt. Mit der Rehistorisierung Bonds, erstmals erhält der Agent einen Jugendhintergrund (den er aber sogleich wieder auslöschen möchte), wurde der Brückenschlag in die Gegenwart noch nicht geschafft. Zuviel Retro-Futurismus schleppt er noch mit sich, und seien es eben jene Verweise, die auf eine vergangene Welt mit Schleudersitzen in Autos und glamourösen Bösewichten anspielen. Aus dieser Zukunftswelt, die durch die Gegenwart bereits überholt wurde, scheint auch Bonds aktueller Antagonist Silva zu stammen: Ein blondierter Javier Bardem ist so exaltiert und lustvoll diabolisch wie Gert Fröbe in „Goldfinger“. Nur schreiben wir, bei allem ästhetischen Gestaltungswillen Mendes’, nicht mehr das Jahr 1964.