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Gunnar Landsgesell · 18. Dez 2014 · Film

The Homesman

1851: Drei Frauen sind an der Siedlergesellschaft des Wilden Westens verrückt geworden. Und weil die Gemeinde beschließt, sie in die ferne Ostküsten-Zivilisation zu verschaffen, aber kein Mann das übernehmen will, erklärt sich eine Frau (Hilary Swank) dazu bereit. Auf der Fahrt zwingt sie den knorrigen Tommy Lee Jones, mitzukommen. Ein Film mit Höhen und Tiefen.

„The Homesman“ situiert ein sehr spezielles Kapitel in der Blütezeit des Western-Genres: Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Westen Amerikas von den so genannten Pionieren besiedelt wurde, angelockt durch die Versprechungen des Homestead Acts: Jeder, der einen Flecken Boden zumindest zwei Jahre lang kultiviert und darauf seine Hütte errichtet, erhält diesen von der fernen US-Regierung als Eigentum zugesprochen. Auch die tapfere Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) hat sich so eine Existenz aufgebaut. Eisern und diszipliniert betreibt sie ihre Farm, während sie sich nach dem Leben in der Zivilisation sehnt. Klaviertasten, die auf einem Tuch aufgestickt sind, dienen ihr als Ersatz für das Instrument. Und auch ein Ehemann fehlt ihr. In einem Establishing shot, der das Dilemma dieser Frau umreissen soll, sehen wir einen groben Klotz, den weder Manieren noch zu große Intelligenz zu belasten scheinen. Ihm dient sich Mary, die 30-jährige Jungfer, als Ehefrau an, doch er verschmäht die resolute Frau. Die Entwürdigung, die in dieser Szene liegt, kennzeichnet die Ambivalenzen des gesamten Projekts, das Tommy Lee Jones mit seiner zweiten Regiearbeit angegangen hat. Er wollte alternative Frauen aus der Pionierzeit in den Mittelpunkt stellen, die weder brav ihre Ehemänner bekochen noch als Prostituierte arbeiten. „The Homesman“ erzählt also eine Geschichte von drei Frauen, die alle an der Einsamkeit der Prärie verrückt geworden sind, auto-aggressiv, hysterisch, mörderisch oder in katatonische Zustände verfallen. Deshalb sollen sie zurück in die Zivilisation verbracht werden. Und weil kein Mann das übernehmen will, bietet sich Mary an. (Das ist stimmig, auch mit ihr will kein Mann etwas zu tun haben.) Einer findet sich aber doch, zwangsweise: Tommy Lee Jones hängt an einem Strick, als Mary ihm begegnet. Sie schneidet den Galgenvogel unter dem Versprechen ab, sie zu begleiten. So machen sich die fünf – drei Frauen im Verschlag der Kutsche, plus Mary und Mr. Briggs (Jones) auf dem Kutschbock, auf nach Osten, um die Besiedlungsgeschichte zurückzudrehen.

Hilary Swank: tapfer gegen T.L. Jones

„The Homesman“ ist im klassischen Sinn kein Western und will das Genre auch nicht wieder reanimieren, auch wenn hier die First Nations kurzfristig für Unsicherheit sorgen und die Bilder von der Weite des Raumes durchaus vom Mythos der Frontier erzählen. Aber der knappe und unwirkliche Auftritt der Indianer erinnert eher an Jim Jarmuschs surreale Geistergeschichte „Dead Man“ und die Weite des Graslandes bietet vor allem den Bühnenraum für ein existenzialistisches Zwei-Personen-Stück, in dem Swank beweist, was für eine exzellente Schauspielerin mit selbstquälerischer Präzision sie sein kann, während T.L. Jones seiner hartgesottenen Visage zum Trotz den Komödianten heraushängen lässt. Die drei Frauen hintendrin erhalten dramaturgisch recht wenig Gewicht, definitiv zu wenig für die beabsichtigte "alternative" Sicht einer Siedler-Anthologie. So entwickelt sich ein One-Wagon-Trek, der einige spannende und noch mehr groteske Momente aufbietet, aber vom erzählerischen Realismus und den sensiblen Gender-Repräsentationen etwa von Kelly Reichardts großartigem Western „Meek’s Cutoff“ („Auf dem Weg nach Oregon“) viel vermissen lässt. Eigentlich kann sich „The Homesman“ selten von seinem männlichen Blick lösen. Die Buchvorlage selbst stammt vom damals 70-jährigen US-Autor Glendon Swarthout, auch am Drehbuchproess war keine Frau beteiligt. Die Machtspielchen zwischen Swank und Jones erinnern in den besten Momenten an das damals aufsehenerregende Komödien-Duo Spencer Tracy und Katharine Hepburn. So gesehen ist der Charme des Uneitlen, des Altmodischen „The Homesman“ zumindest gewiss.