Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Gunnar Landsgesell · 24. Apr 2014 · Film

Und morgen Mittag bin ich tot

Lea, eine junge Frau beansprucht aufgrund einer unheilbaren Krankheit Sterbehilfe. Die Familie verweigert sich dem Wunsch, Lea dabei zu unterstützen. Damit ist ein dramaturgischer Angelpunkt für dieses Familiendrama im Schongang gefunden. Die Darstellung großer Qualen und die Verhandlung kontroverser Standpunkte verweigert die stellenweise anrührende Inszenierung allerdings.

Den feinen Unterschied zwischen einem sterbenswilligen aber nicht lebensmüden Menschen sucht Jungregisseur Frederik Steiner in seinem Familiendrama zum umstrittenen Thema Sterbehilfe. Denn die 22-jährige Lea (gelassen und bestimmt: Liv Lisa Fries) hätte noch Freude am Weiterleben, eine schwere Lungenerkrankung (Mukoviszidose), die qualvolle Erstickungsanfälle mit sich bringt, und keinerlei Aussicht auf Besserung bringen Lea zum Entschluss, mit professioneller Hilfe ihr Leben zu beenden. Zum dramaturgischen Angelpunkt wird der Wunsch Leas, ihre Familie möge sie dabei begleiten – oder ihr „beim Sterben zusehen“, wie es die Mutter (Lena Stolze) formuliert.

Frederik Steiner wägt nach und nach die Positionen von Mutter und Tochter ab. Steiner bemüht dabei das Muster eines generell mütterlich ausgewiesenen Problems, nicht loslassen zu können. Das wirkt in manchen Passagen etwas schlicht gebaut, geht es doch hier nicht um ein Mehr an juveniler Autonomie, sondern um das Leben selbst. Um diese Dramatik zu veranschaulichen, greift Steiner auch auf einige Affektfiguren zurück. Etwa eine Diashow, mit der Lea ihrer Mutter, Großmutter und Schwester Bilder eines gemeinsamen, aber vergangenen Lebens zeigt. Szenen wie diese sind signifikant für den Schongang, den Steiner für das Publikum wählt. Ein sanftes Plädoyer für Sterbehilfe, jedoch ohne die Zuschauer zu sehr zu belasten. Das bringt stellenweise schöne, fast verinnerlichte Momente hervor, droht aber im nächsten Moment schon wieder ins Metaphorische zu kippen. Etwa, wenn Lea mit einem jungen Burschen, der – vernarbte Gelenke – tatsächlich lebensmüde ist, und mit diesem auf einer Fähre an das „andere Ufer“ des Zürcher Sees übersetzt. Auch wenn die filmische Erzählung sich nicht stärker auf kontroverse (zB. ethische) Fragen einzulassen getraut, ist der Anspruch, Sterbehilfe vom tabuisierten Gegenstand zu einer geradezu alltagsnormalen Betrachtung umzuformulieren, deutlich erkennbar. Man könnte sagen, dieser Anspruch wurde auf anrührende Weise realisiert.