Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 23. Jun 2012 · Film

Und wenn wir alle zusammenziehen?

Fünf seit Jahrzehnten fest eingeschworene Freunde wollen der Abschiebung ins Altersheim entgehen, indem sie eine Wohngemeinschaft gründen, in der sie gegenseitig füreinander sorgen. Nicht ausgeblendet, aber weichgezeichnet werden in Stéphane Robelins sanfter Dramödie die Beschwerlichkeiten des Alters, Charme verleiht ihr vor allem ein exquisites Ensemble an Altstars wie Jane Fonda, Pierre Richard und Geraldine Chaplin.

Mit der Überalterung der Gesellschaft wird das Alter auch zunehmend Thema für Filmemacher. Andreas Dresen erzählte in „Wolke 9“ ebenso von junger Liebe im Alter wie jüngst Sabine Hiebler und Gerhard Ertl in „Anfang 80“. Eine Hymne auf lustvolles Leben auch im Alter durch Chorgesang stimmte der Brite Stephen Walker in seinem Dokumentarfilm „Young @ Heart“ an und, wie Sport jung hält, konnte man in Jan Tenhavens „Herbstgold“ sehen. Auch Gianni di Gregorio erzählte in „Pranzo di Ferragosto“ von erfülltem Leben trotz hohen Alters, während Michael Haneke in seinem heurigen Cannes-Sieger „Amour“ Krankheit und Tod in den Mittelpunkt rückt.

Fünf Freunde und das Alter

Im Mittelpunkt von Stéphane Robelins zweitem Spielfilm stehen fünf Menschen, die seit Jahrzehnten befreundet sind. Nun sind sie schon über 70 und in jedem zeigt sich eine andere Facette des fortschreitenden Alters. Albert (Pierre Richard) vergisst von Tag zu Tag mehr, seine Frau Jeanne (Jane Fonda) erhält die Diagnose einer unheilbaren Krankheit, verheimlicht das aber ihrem Mann. Unsentimental bereitet sie ihr Begräbnis vor, möchte keinen braunen, sondern einen fröhlich pinkfarbenen Sarg und nicht auf einem Friedhof, sondern unter Bäumen in einem Park begraben werden.
Annie (Geraldine Chaplin) und Jean (Guy Bedos) leiden wieder darunter, dass sie ihre Kinder und Enkel in ihrem Einfamilienhaus in einem Pariser Vorort kaum mehr besuchen. Der alte Aktivist Jean kommt zudem nicht klar damit, dass er bei Demonstrationen praktisch nicht mehr wahrgenommen wird. Keiner schreit zwar so laut wie er, doch die Exekutive ignoriert ihn, selbst wenn er einem Polizisten eine Flasche an den Kopf wirft.
Und dann ist da noch der eingefleischte Single Claude (Claude Rich). Seine Leidenschaft gehört dem Fotografieren und den Frauen. Unstillbar ist sein Hunger nach Sex. Ohne Viagra läuft da inzwischen allerdings gar nichts mehr. Sehr zum Widerwillen seines Sohnes sucht Claude Prostituierte auf. Als er bei so einem Besuch einen Herzinfarkt erleidet, wird er ins Krankenhaus eingeliefert. – Das Altersheim droht als nächste Station. Da schlägt der stets ans Gemeinwohl denkende Jean trotz anfänglichen Widerstands seiner Frau vor, dass alle in ihrem geräumigen Haus zusammenziehen könnten.
Ganz reibungslos läuft das Zusammenleben freilich nicht ab, denn wenn man so eng aufeinander sitzt, werden einem auch zunehmend die Schrullen der anderen bewusst. Und auch eine schon Jahrzehnte zurück liegende Affäre wird publik, die kurzzeitig für Eifersucht und Auseinandersetzungen sorgt. Doch bald ist man angesichts der Vergänglichkeit, der Gebrechlichkeit und des Bewusstseins des nahen Todes wieder versöhnt.

Beschönigend

Kein Hohelied auf erfülltes Leben im Alter singt Robelin, zeigt kein Aufblühen wie John Madden in „The Best Exotic Marigold Hotel“. Krankheiten und Gebrechlichkeit können nicht weggeschoben werden, doch die Freundschaft, gemeinsame Gastmähler mit gutem Essen und erlesenem Wein oder auch ein Boccia-Spiel können auch diese Lebensphase noch versüßen. So wirklich bohrend will der Franzose dabei freilich nie werden. Rund, ohne Ecken und verstörende Momente fließt die Handlung dahin, in warmen Farben und Licht wird alles Harte aufgeweicht. Mag die von Jane Fonda gespielte Jeanne auch todkrank sein, die Krankheit sieht man ihr nie an, sie bleibt bis zum Schluss eine attraktive Frau. Kein langes Leiden wird hier gezeigt, abrupt folgt auf eine gemeinsame Szene mit einem Schnitt die Beerdigung.

Starke Altstars, deplatzierter Daniel Brühl

Dennoch bereitet es freilich großes Vergnügen die einst kämpferische Jane Fonda nun in einer sanften Altersrolle zu sehen, gleiches gilt für Geraldine Chaplin, deren Annie aber eher am Rande bleibt. Dafür spielt sich Pierre Richard, der einst als „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ eine Komikerkarriere startete, als dementer Albert, der sogar den Tod seiner Frau vergisst, eindrücklich ins Gedächtnis.  Gleichermaßen komisch wie berührend und immer von großer Menschlichkeit durchzogen sind seine Auftritte.
Nicht mithalten kann mit dieser Alt-Starriege Daniel Brühl. Er bleibt als deutscher Student, der sich zunächst nur um Alberts Hund kümmern soll, dann aber für das Quintett zum Helfer in allen Lebenslagen wird, nicht nur blass, sondern seine Figur wirkt überhaupt deplatziert und überflüssig – ein entbehrliches Zugeständnis an ein jugendliches Publikum