Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 19. Mär 2015 · Film

Verstehen Sie die Béliers?

Eine gehörlose Familie in der französischen Provinz sorgt für glattgebügelten Humor und Situationskomik mit perfektem Timing. Der Tochter der Béliers, die weder taub noch besonders stumm ist, fällt die Rolle zu, die elterlichen Peinlichkeiten zu übersetzen.

In Frankreich scheint jüngst alles einen guten Stoff für eine Komödie abzugeben, was „anders“ ist: Migranten in „Samba“, komische Dialekte wie bei den „Sch’tis“ und nun die Gehörlosen in „Verstehen Sie die Béliers?“ Die bäuerliche Familie bestellt in der idyllischen Provinz ihren Hof und verständigt sich in Gebärdensprache. So richtig bodenständig sind die Béliers nicht, sondern total überdreht. Der knorrige Vater (François Damiens) kandidiert aus reinem Widersinn gegen den schmierigen Bürgermeister und leidet unter parodistisch erhöhtem Sexualbegehren. Die Mutter (Karin Viard) sorgt sich auf etwas zu dominante Weise um ihre Familie. Da auch der kleine lebhafte Sohn (Luca Gelberg) gehörlos ist, wird der 16-jährigen Paula (Louane Emera) zuteil, den Film für das Publikum doch noch zu einem Talkie zu machen. Ohne Paula wäre es ein gewagter Komödien-Versuch geworden, wahrscheinlich ohne die gewünschte Blockbuster-Qualität. Mit der Figur der vorlauten Paula hingegen verpflanzt Regisseur Eric Lartigau das satirische Unruhemoment in die Familie selbst, sie wird zum unermüdlichen Motor aufgelegter Situationskomik. Damit bewegt Lartigau auch den Fokus weg von der gesellschaftlichen Relevanz seines Themas hin zur Disfunktionalität der Familie selbst. Wenn die Eltern von einer Genitalpilzerkrankung geplagt sind, sitzt beim Hautarzt auch die Tochter zwischen den beiden, um genervt deren sexuelle Enthaltsamkeit einzufordern. Dass die Eltern taub sind, scheint sie auch für Infantilitäten und Peinlichkeiten aller Art angreifbar zu machen. Die Vernunft der Tochter ergibt dann jene groteske Gegensätzlichkeit, die den einigermaßen konstruiert wirkenden Spaßfaktor antreibt. Kein Wunder also, dass Paula schließlich in einem Chor landet und ausgerechnet ein Gesangsstudium die Familie zu trennen droht. Wer die leichte Komödie sucht, wie fünf Millionen Franzosen, könnte bei den Béliers fündig werden. Eine glatte Inszenierung wie aus dem Prime-Time-Fernsehen verspricht die Welt als überschaubaren Dorfplatz, auf dem sich das Leben der Menschen mit ihren kleinen Reibereien letztlich wohlig ineinander fügt. Ein besonderes Figuren-Interesse entwickelt die Dramaturgie eigentlich nur für Paula, die als einzige eine Geschichte zu erzählen hat. Ihrer Coming-of-Age-und First-Love-Story dienen die gehörlosen Familienmitglieder vor allem als bunte Folie, auf der jedes Lied, jedes Gefühl und jeder Witz seinen exakten Platz zugesprochen bekommt.