Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 22. Mai 2014 · Film

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Die X-Men und mit ihnen die Welt stehen vor dem Untergang. Gigantische Roboter, die Sentinels, haben die Macht übernommen und die Erde schwarz verbrannt. Wolverine (Hugh Jackman) reist in die Vergangenheit, um den Weltenlauf in den 70ern zu wenden und die Apokalypse zu verhindern. Bryan Singer legt mit der 7. Auflage der X-Men eine aufgeräumte Inszenierung vor, die leise bis verhaltene Bilder eines Wettlaufs der Mächte gegenüber Brachialeffekten den Vorzug gibt.

Als „Inbetweequel“ bezeichnet Regisseur Bryan Singer die mittlerweile siebente Ausgabe des X-Men-Franchise. So wie der Titel - „X-Men: Days of Future Past“ - von einer Geschichte kündet, die "zwischen" den Zeiten spielt, positioniert sich auch der Film selbst als Sequel, das aber beständig den Prequel-Modus anwerfen muss, um die Errettung der Gegenwart aus der Vergangenheit heraus zu erzählen. Schon die düsteren Eröffnungsbilder des Films - verbrannte Erde von New York bis Moskau - zeugen von der Apokalypse, die die Sentinels über die Welt gebracht haben. Und von der Notwendigkeit, schleunigst die Ereignisse in der Vergangenheit zu reparieren. Dazu müssen die  Sentinels, das sind jene gigantischen und wandlungsfähigen Roboter, die in den 1970ern vom Wissenschaftler und politischen Scharfmacher Dr. Trask (Peter Dinklage) konstruiert wurden, um einen Vernichtungskrieg gegen die Mutanten zu führen, noch vor ihrer Inbetriebnahme ausgeschaltet werden. Zu diesem Zweck wandert nun auch „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ in die Ära Nixon zurück: Wolverine (Hugh Jackman) wird auf eine Zeitreise geschickt, um zu verhindern, dass Mystique (Jennifer Lawrence) den Mutantenfeind Trask ermordet. Denn just dieser Mord hatte Präsident Nixon von der Gefährlichkeit der Humanoiden überzeugt, er gab den Befehl zum Einsatz der Sentinels gegen sie. Damit wäre im wesentlichen auch schon der Plot umrissen.

Geölte Abläufe

Natürlich muss Wolverine zur Errettung der Welt einige Umwege gehen. Die Antagonisten Professor X (Patrick Stewart) und Magneto (Ian McKellen) sind von jemandem, der die Zukunft zu kennen behauptet, nicht unbedingt überzeugt. Während Mystique von einer blauhäutigen aber dennoch etwas farblosen Jennifer Lawrence verkörpert, ihren Mordplan auf jeden Fall umzusetzen gewillt ist. Mit dieser dennoch deutlich ausgefallenen Reduktion an Dramaturgie erweist Regisseur Singer, der bereits für die erste launige Verfilmung der X-Men im Jahr 2000 verantwortlich war, dem Publikum womöglich einen guten Dienst. Er stürzt es nicht in hoffnungslose Verwirrung. Zugleich soll damit aber auch Raum für die Haptik des Kinos in 3D geschaffen werden. Die Figur des Quicksilver, der sich derart schnell zu bewegen vermag, dass die Zeit bis zum Stillstand gedehnt erscheint, kommt mit visuellen Einlagen ordentlich zum Zug. Und auch sonst wird die Wunderkiste an körperlichen Metamorphosen ausgebreitet: Mystique vermag wie einst die griechischen Götter jede beliebige Menschengestalt anzunehmen; Wolverine lässt einfach so Projektile aus den Einschusslöchern seines Körpers poppen; ein anderer Kollege reisst Raumlöcher auf, durch die man in größter Not durchspringen kann und zur Verwirrung der Gegner ein bisschen woanders wieder herauskommt. Bei allen visuellen Mätzchen, einer durchwegs aufgeräumten Inszenierung und dem humanistischen Grundton des Stoffes, der dafür plädiert, auch randständige Figuren zum Allgemeinwohl der Menschheit am Leben zu lassen, fehlt es irgendwie an signifikanten Momenten, in denen sich die Dramatik dieser Rettungsaktion immer wieder als irritierende, aufreizende oder schlicht verblüffende Note wiederfindet. So rauscht X-Men fast ein wenig schallgedämpft dahin, in eine relativ harmonische Soundscape eingebettet, von Gegnerschaften geprägt, die zu wenig signifikant wirken, um klarzumachen, dass es hier um die Existenz aller geht. Dort, wo die  Emmerichs und Petersens dieser Welt auf lärmende Spektakel setzen, scheinen die X-Men-Schöpfer fast zu wenig auf die Wirkung des Bildes zu vertrauen. Gut geölte Abläufe und perfekte Reißbrettarbeit vergisst oft darauf, dass die Eindrücklichkeit und Affizierung des Zusehers eben in jenen Momenten entsteht, die aus dem Fluss des Narrativs heraustreten. Dann, wenn man als Zuschauer mit einem Bild ganz für sich allein gelassen wird. Das Finale, in dem das Weiße Haus filmisch einmal mehr Ziel einer kapitalen Zerstörungswut wird, wäre dazu angetan. Nixon, der alte Kriegstreiber, und sein aufgeriebener Stab stehen den Mutanten in einem symbolhaft zugespitzten Devastierungsszenario gegenüber, während sie alle von den todbringenden Sentinels umschwirrt werden. Doch letztlich wird auch diese Szene zu glatt, zu perfekt abgewickelt. Auch wenn die Anlagen der Bilder, die ja permanent von einer Störung des Systems berichten, gänzlich anders geartet sind, gerät die Filmmaschine X-Men nie ins Stottern.